Verlorene Eier
Bettkante. Ich habe Mühe, nicht auf ihre Beine zu starren, die sie übereinanderschlägt und einen Fuß lässig baumeln lässt. Bei dem Anblick wird mir regelrecht schwummrig.
»Angela, sind Sie vorhin … einfach abgehauen?«
Die Direktheit ihrer Frage lässt mich zusammenzucken. »Tja, das stimmt wohl, meine Liebe.« Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. »Die salzige Luft. Diese Krabben. Mir war plötzlich ein wenig un…«
»Es lag an Jerome, stimmt’s?«
»Nein, keineswegs …«
»Ich habe sofort gesehen, dass Sie ihn nicht mögen.«
Resignierter Seufzer. »Meine Meinung ist hier völlig irrelevant.«
»Sie finden auch, dass er sich wie der letzte Idiot benimmt, stimmt’s?«
»Er gehört zu den Menschen, die …« Wie soll ich es am besten ausdrücken? »… irgendwie überlebensgroß wirken.«
»Sie haben völlig recht. Er ist ein ziemlicher Idiot, aber er kann gut mit Arthur umgehen.«
»Vermutlich ist er das perfekte männliche Vorbild.«
»Für Arthur ist er so was wie ein Superheld. Jerome lässt ihn mit seiner ungeladenen Waffe spielen. Für ein Kind ist das natürlich eine echte Sensation.«
»Und Sie …«
»Er ist völlig vernarrt in mich, Angela. Was ja sehr schmeichelhaft ist, außerdem ist er nicht gerade ein hässlicher Knilch. Er beschützt uns, was bei uns Mädels bekanntermaßen gut ankommt, habe ich recht, Angela?«
»Also haben Sie …«
Sie schüttelt den Kopf. »Einmal war es kurz davor …«
»Das ist sehr interessant, meine Liebe.«
»Wir hatten ein paar Biere getrunken und haben ein bisschen herumgealbert. Es war einer dieser Momente … Sie wissen schon … in denen es so oder so laufen kann. Tatsache ist, dass mein Leben schon kompliziert genug ist. Aber mein Kleiner liebt ihn heiß und innig, deshalb lassen wir ihn ab und zu mal den Daddy spielen.«
»Und er macht seine Sache gut«, sage ich bei der Erinnerung daran, wie er mit dem Knirps auf den Schultern durch den Sand gestapft ist.
»Das stimmt. Und er würde einen hervorragenden Familienvater abgeben. Aber er ist ziemlich begrenzt. Waffen, das FBI . Viel mehr gibt es für ihn nicht. Für Sie interessiert er sich allerdings sehr, Angela.«
»Ach ja?«
»Er meinte, er hätte fast nichts über Sie im Internet gefunden.«
»Das stimmt.«
»Und Ihr Agent existiert überhaupt nicht.«
Der Lachs legt eine Reihe von Saltos hin.
»Doch, das tut er definitiv, meine Liebe. Ich habe heute Morgen erst mit ihm gefrühstückt.«
»Jerome meinte, er könnte ihn nicht finden, und das FBI findet jeden.«
Mir fällt die Kinnlade herunter, und ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll.
»Stört es Sie, wenn ich mir einen kleinen Joint anzünde, Angela?«
»Äh, nein, meine Liebe. Nur zu.«
»Cool.« Sie zieht einen fertig gerollten Joint heraus und zündet ihn an. »Wenn Jerome in der Nähe ist, darf ich nichts rauchen. Sonst verpfeift er mich, sagt er. Natürlich tut er es nicht, aber er wird ziemlich sauer, und das nervt.«
Sie inhaliert und hält den Rauch so lange in den Lungen, wie sie kann. Das ist ja mal etwas ganz Neues, denke ich. Seit der Uni habe ich mit keinem Mädchen mehr in meinem Zimmer gesessen und einen durchgezogen. (Hillary Gottschalk, was ist wohl aus dir geworden?)
»Lust auf einen Zug?«
»Oh, ich weiß nicht, meine Liebe.«
»Haben Sie das schon mal gemacht?«
»Einmal. Vor langer, langer Zeit«, lüge ich. (In Wahrheit war es wesentlich häufiger.)
Ich nehme den Joint in die Hand und inhaliere tief (aber nur weil sie gesagt hat, ich sei cool).
»Wahnsinn«, meine ich und verkneife mir, »geiles Zeug« hinzuzufügen.
Amber legt sich auf die linke Seite des Doppelbettes und klopft einladend auf den freien Platz neben sich. Und mir fällt beim besten Willen kein Grund ein, weshalb ich die Einladung ablehnen sollte. Es verlangt mir einiges an Geschick ab, mich in Position zu bringen – auf die Bettkante setzen und mich halb umdrehen, während ich die Beine hochnehme, dann zurücklehnen und den Kopf vorsichtig auf die Kissen sinken lassen. Diesen Bewegungsablauf habe ich nie mit Keith geprobt, und meine Hühnerfilets fühlen sich auch nicht an, als würden sie hundertprozentig an Ort und Stelle sitzen, aber am Ende schaffe ich es.
Die Lider von Ambers großen bernsteinfarbenen Augen sind ein wenig schwer geworden. Eine schläfrige Wärme liegt darin, als sie mir den Marihuana-Glimmstängel reicht.
»Das ist echt so cool, Angela. Ich glaube es nicht, was wir hier tun.«
»Meine
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