Verlorene Eier
harter Kontrast ist, wenn du mir die Bemerkung erlaubst. Wäre etwas Helleres vielleicht geeigneter? Eine Pastellfarbe?«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du so ein gutes Auge für Damenbekleidung hast.«
»Rundumservice am Kunden ist bei uns oberstes Gebot. Und meine herzlichsten Grüße an Miss …«
»Glatt.«
»Tatsächlich? Was für ein unseliger Nachname.«
»Lesley Ambrosine Glatt. So lautet ihr richtiger Name. Sie nennt sich nur Amber.«
»So klingt es gleich viel besser. Namen sind ja so wichtig, findest du nicht auch? Was für ein lustiger Zufall, dass ihr beide euch unter falschem Namen kennengelernt habt.«
8
Kaum steige ich aus dem Taxi, wird mir klar, dass das eine schlechte Idee war. Der Strand, ein breiter Streifen Sand, der sich scheinbar meilenweit in nördliche und südliche Richtung erstreckt, ist riesig und nahezu menschenleer. Es ist ein warmer, wolkenloser Tag, nur weht eine kräftige Brise, die mir schier die Perücke vom Kopf zu reißen droht. Einzelne Haarsträhnen kleben an meinem Make-up fest, und ich spüre ein heftiges Ziepen an der Kopfhaut. Meine hohen Absätze klappern, als ich die Promenade entlang zu dem Restaurant gehe, wo wir verabredet sind.
Auf der Terrasse stehen einige Tische und Stühle, bunte Wimpel flattern fröhlich im Wind. Beim Anblick der drei Gestalten zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Sie sehen wie eine kleine Familie aus. Der hochgewachsene, breitschultrige und … großer Gott … deprimierend gut aussehende Mann, der von seinem Stuhl aufsteht und mir lächelnd seine Pranke hinstreckt.
»Wie geht’s, Ma’am? Jerome Walsh, FBI . Ich schätze, A. hat Ihnen schon erklärt, weshalb ich hier bin. Stimmt’s, Babe?«
Lässig legt er ihr eine Hand auf die Schulter. Amber erwidert das Lächeln leicht frostig. Sie sieht irgendwie … beschämt aus.
Mit einem Mal ist mir alles sonnenklar. Seine besitzergreifende Körpersprache sagt alles. Der Typ steht auf sie. Und die übelkeiterregende Art, mit der sie ihm gestattet, es zu demonstrieren, lässt den Schluss zu, dass sie …
Ich will den Gedanken lieber gar nicht erst zu Ende denken. Die Eifersucht bohrt sich wie ein scharfes Messer durch meine Eingeweide. Ich spüre, wie mir die Galle hochkommt.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Agent Walsh. Amber, meine Liebe. Arthur …«
Der Knirps zeigt sich genauso skeptisch wie bei unserer ersten Begegnung in New York, halb am anderen Ende des Kontinents.
»Hey, Kumpel«, sagt Jerome. »Willst du Mamis Freundin nicht Guten Tag sagen?«
»Hi.« Es ist kaum mehr als ein Knurren. Er scheint so erfreut über meinen Anblick zu sein wie ich über seinen.
Zuerst Babe , dann Mami . Offenbar habe ich es hier mit einer richtigen kleinen Familie zu tun. Und das Schlimme daran ist: Sie sehen so unerträglich gut aus. Okay, bei Arthur besteht noch Entwicklungspotenzial, doch Amber und Jerome sind zwei ganz besonders gelungene Exemplare der Gattung Mensch. In ihrer Gegenwart komme ich mir wie die sprichwörtliche hässliche Schwester vor.
»A. hat mir erzählt, Sie seien eine berühmte britische Schriftstellerin.«
»Nun ja, ich schreibe tatsächlich. Und ich bin Britin.«
»Ich bin ja nicht so der Bücherfan. Mails und Speisekarten, das reicht mir schon.« Er drückt mir eine riesige laminierte Speisekarte mit allerlei Fotos von Fischgerichten in die Hand. »Die Krabbenscheren sind eine echte Sensation, hieß es im Internet.«
»Tatsächlich? Hat das FBI etwa eine kleine Online-Recherche durchgeführt?«
War die Erwiderung zu scharf? Und ist online überhaupt ein Wort, das Angela in den Mund nehmen würde? Alle drei sehen mich an.
»Ich bin nicht befugt, über innerbetriebliche Details Auskunft zu geben, Ma’am«, kontert er mit einem gewinnenden Lächeln, worauf die Anspannung augenblicklich verfliegt.
»Amber, meine Liebe, ich habe etwas für Sie.«
Ich ziehe die orangefarbene Glasperlenkette aus dem Drogeriemarkt in Oswestry aus meiner Handtasche, die, wie ich erst jetzt feststelle, aus einer Art Bernstein zu bestehen scheint. Könnte es noch perfekter sein?
Aber versehentlich habe ich noch etwas anderes herausgezogen … wie in Zeitlupe sehe ich es quer über den Tisch segeln. Es ist eine Bankkarte. Meine Bankkarte. Diejenige, mit der ich am Bankautomaten meine Dollars abhebe. Und auf der nicht der Name Angela Huxtable steht, sondern William Greefe. In erhabenen Goldbuchstaben. Sie landet geradewegs vor den Füßen des Jungen.
»Hoppla, vielen Dank,
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