Verlorene Eier
Güte, du bist so wunderschön.«
Nein, so gern ich das sagen würde, verkneife ich es mir und sage stattdessen: »Ich amüsiere mich prächtig, vielen Dank.«
Draußen vor dem Fenster erstrahlt das abendliche Lichtermeer von Jacksonville.
»Was für eine Art Mann würde Ihr Leben denn leichter statt komplizierter machen?«, erkundige ich mich. »Wer wartet da draußen auf Amber?«
»Keine Ahnung. Ein Mann, der klug ist. Einfühlsam. Intelligent.«
»Oh, verstehe. Sie reden von einer Frau.«
Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass Cannabis selbst die dämlichste Bemerkung abgrundtief weise oder rasend komisch erscheinen lassen kann. (Zumindest war es damals bei mir und Hillary Gottschalk so.) Amber mustert mich einen Moment lang – dann brechen wir in haltloses Kichern aus. Sie trommelt so heftig mit den Fersen auf das Bett, dass die Hühnerfilets in meinem BH gefährlich zittern.
»Du meine Güte, war das komisch«, sagt sie. »Sie sind komisch.«
Lange Zeit liegen wir auf dem Bett und lauschen dem Rauschen des Verkehrs, das durch die Doppelverglasung dringt. »Was ist mit Ihnen, Angela?«, fragt sie dann. »Wartet da draußen auch jemand auf Sie?«
»Ich glaube, damit bin ich durch, meine Liebe.«
Ihre Augen werden groß. »Angela, wie können ausgerechnet Sie so etwas sagen?«
»Die Arbeit und der Mensch, der sie erschafft, sind zwei Paar Schuhe.«
»Ich werde vögeln, bis ich achtzig bin.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort.«
»Was dagegen, wenn ich uns noch einen baue?«
Diesen Anblick werde ich wohl bis ans Ende meiner Tage nicht vergessen – ihr schlanker Körper, auf die Ellbogen gestützt, neben mir auf dem Bett, die Puma-Sonnenbrille im Haar, der Elfenbeinring an ihrem Daumen, als sie die Zigarette dreht und lässig ihre schlanken Beine an den Knöcheln kreuzt. Nur wenige Zentimeter trennen mich von dieser wunderschönen Frau, doch es könnte ebenso gut ein ganzes Universum sein. Ich sehne mich mit jeder Faser meines Herzens danach, in ihrer Gegenwart ein Mann sein zu dürfen. Als sie aufblickt und mich anlächelt, kann ich meine Frustration kaum im Zaum halten.
»Sie sehen so traurig aus, Angela.«
»Das ist mein natürlicher Gesichtsausdruck, meine Liebe. Die Leute sagen oft zu mir, ich soll nicht so finster dreinsehen.«
Wieder entsteht eine lange Pause. »Jerome will unbedingt, dass wir morgen nach Sleepy Eye zurückfahren.«
Der Lachs zuckt.
»Was ist Sleepy Eye?«
»Das ist der Ort, wo wir wohnen. Arthur und ich.«
»Verstehe.«
»Es ist ein Dorf oben in Minnesota. Kommen Sie uns mal besuchen?«
Ich bin den Tränen nahe. »Das könnte ziemlich schwierig werden, meine Liebe.«
»Er sagt, Miami sei voller Verbrecher und dass wir dort nichts zu suchen hätten. Aber ich habe mir etwas überlegt. Wieso machen Sie, Arthur und ich nicht eine kleine Spritztour und fahren morgen früh ohne ihn nach Miami? Das ist doch Ihre nächste Anlaufstelle, stimmt’s?«
»Das stimmt. Aber es ist ziemlich weit …«
»Dreihundert Meilen. Fünf, sechs Stunden. Wir können uns alle Zeit der Welt lassen. Arthur und ich schleichen uns einfach aus dem Motel, während Jerome tief und selig schlummert.«
»Dürfen Sie das denn? Einfach so verschwinden, ohne ihm etwas zu sagen?«
»Wir leben doch in einem freien Land, Angela. Zumindest war es so, als ich das letzte Mal nachgesehen habe.«
»Aber was ist mit …«
»Den üblen Burschen in Miami? Das ist doch Schwachsinn. Außerdem haben Sie ja selber gesehen, dass ich mich ziemlich gut wehren kann, oder?«
»Und Jerome?«
»Ach, der findet uns irgendwann schon. Das tut das FBI doch immer. Ich glaube sogar, er hat irgend so ein GPS -Ding am Auto installiert. Aber bis dahin können wir so sein wie die beiden Mädels in diesem Film.«
»Selma und Denise.«
»Angela, Baby, Sie sind echt der Hammer.«
12
Lieber Gerald,
wenn Du diesen Brief liest, bin ich bereits unterwegs nach Miami. Bitte sei nicht sauer oder besorgt. Ich habe nur das Angebot von Miss Glatt angenommen, deren Gesellschaft ich sehr genieße, wie Du ja weißt. Wir sind heute in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen, gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn Arthur. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich mir nicht über die Wichtigkeit unseres geschäftlichen Arrangements im Klaren bin. Ich werde selbstverständlich meinen Verpflichtungen in vollem Maße nachkommen und die verbleibenden Termine mit aller Professionalität wahrnehmen. Sei ganz unbesorgt. Ich habe gewiss nicht die
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