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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihn nicht der Kraft und Stärke für fähig hielt, durch die sich die Weiber so angezogen fühlen. Überdies brachte den Dichter noch nichts zur Geltung, während Marsay Lebendigkeit des Geistes, Siegesgewißheit und eine seiner Natur entsprechende Kleidung besaß, lauter Eigenschaften, die alle seine Rivalen ausstachen. Man versteht nun, was in seiner Nachbarschaft Lucien sein konnte, der steif, stutzerhaft aufgeputzt, hölzern und neu wie seine Kleider war! Von Marsay hatte durch den Geist, den er hineinlegte, und durch die anmutigen Manieren, mit denen er sie begleitete, das Recht erobert, Keckheiten zu sagen. Der Empfang, der ihm seitens der Marquise wurde, belehrte Frau von Bargeton schnell über die Macht dieses Menschen. Der zweite war der eine der beiden Vandenesse, der, der den Skandal mit der Lady Dudley gehabt hatte, ein sanfter, verständiger, bescheidener junger Mann, der durch Eigenschaften Erfolg hatte, die denen von Marsays ganz entgegengesetzt waren, und den die Cousine der Marquise, Frau von Mortsauf, ihr warm empfohlen hatte. Der dritte war der General von Montriveau, der an dem Untergang der Herzogin von Langeais schuld war. Der vierte war Herr von Canalis, einer der berühmtesten Dichter dieser Zeit, ein junger Mann im ersten Beginn seines Ruhmes, der stolzer auf seinen Adel als auf sein Talent war. Er spielte den Courmacher der Madame d'Espard, um seine Leidenschaft für die Herzogin von Chaulieu zu verstecken. Man konnte trotz seines anmutigen Wesens, das nicht ohne Geziertheit war, den brennenden Ehrgeiz merken, der ihn später in den Wirbel des politischen Lebens stürzte. Seine beinahe niedliche Schönheit, seine zarten Manieren verhüllten nur schlecht einen tiefen Egoismus und das unaufhörliche Rechnen einer damals noch fraglichen Existenz; aber der Umstand, daß er sich Frau von Chaulieu, eine Frau von über vierzig Jahren, erkoren hatte, trug ihm bereits Belohnungen von seiten des Hofes, den Beifall des Faubourg Saint-Germain und Beschimpfungen von seiten der Liberalen ein, die ihn den Pfaffendichter nannten.
    Als Frau von Bargeton diese vier hervorragenden Gestalten sah, wurde ihr die geringe Aufmerksamkeit der Marquise für Lucien erklärlich. Als dann die Unterhaltung begann, als jeder dieser feinen gewandten Köpfe sich durch Wendungen ins rechte Licht setzte, die mehr Witz und mehr Tiefe hatten als alles, was Anaïs während eines ganzen Monats in der Provinz gehört hatte; als insbesondere der große Dichter in seiner suggestiven Art ein paar Worte sagte, in denen das Positive der ganzen Zeit lag, aber noch vergoldet von der Poesie, da begriff Louise, was ihr Châtelet am Tage vorher gesagt hatte; Lucien war nichts mehr. Jeder betrachtete den armen Unbekannten mit so grausamer Gleichgültigkeit, er stand so ganz wie ein Ausländer da, der die Sprache nicht verstand, daß die Marquise Mitleid mit ihm empfand.
    »Gestatten Sie,« sagte sie zu Canalis, »Ihnen Herrn von Rubempré vorzustellen. Sie nehmen in der literarischen Welt eine so hohe Stellung ein, daß Sie einen Anfänger gewiß freundlich aufnehmen. Herr von Rubempré kommt von Angoulême und ist jedenfalls Ihrer Fürsprache bei denen, die hier das Genie zur Geltung bringen helfen, bedürftig. Es fehlt ihm leider noch an Feinden, die ihn mit ihren Angriffen berühmt machen könnten. Wäre es nicht originell genug, den Versuch zu machen, ihn durch die Freundschaft zu dem gelangen zu lassen, was Ihnen vom Hasse zuteil wird?«
    Die vier Personen betrachteten Lucien, solange die Marquise sprach. Von Marsay nahm seine Lorgnette, um den Ankömmling anzusehen, obwohl er nur zwei Schritte von ihm entfernt war; sein Blick ging von Lucien zu Frau von Bargeton und von ihr zu ihm, man sah in seinen Miene die boshaften Gedanken, mit denen er sie zueinander gesellte, und sie waren beide überaus peinlich berührt; er prüfte sie wie zwei absonderliche Tiere und lächelte. Dieses Lächeln war ein Stich ins Herz für unsern großen Mann aus der Provinz. Felix von Vandenesse zeigte ein mitleidiges Gesicht, Montriveau warf einen Blick auf Lucien, mit dem er ihn bis auf die Knochen durchdrang.
    »Meine Gnädige,« sagte Herr von Canalis und verbeugte sich, »Ich gehorche Ihnen, obwohl unser persönliches Interesse uns befiehlt, unsere Nebenbuhler nicht zu fördern; aber Sie haben uns ans Wunderbare gewöhnt.«
    »Schön, machen Sie mir also das Vergnügen und kommen Sie Montag mit Herrn von Rubempré zu mir zum Diner, Sie werden dort

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