Verlorene Liebe
Schokomilch hinunterzuspülen und dann immer noch im Bauch Platz genug für eine Schachtel gefüllter Plätzchen zu haben.
Während der Pubertät hatte Marys Haut verrückt gespielt und sie bald wie eine der reich belegten Pizzas aussehen lassen, die sie so gern verdrückte. Selbst heute noch war ihr Gesicht von Kratern und Unreinheiten übersät. Mary hatte es sich schon früh angewöhnt, ihre Züge mit einer zentimeterdicken Schicht Make-up zu bedecken. Bei wärmerem Wetter, wenn ihre Schweißdrüsen sich allzu bereitwillig öffneten, wurde es rissig und zerschmolz auf ihrem Gesicht wie eine Gummipuppe im Feuer.
Sie hatte die High School und das College ohne eine einzige Verabredung mit einem Jungen hinter sich gebracht. Schlimmer noch, es war ihr nicht einmal gelungen, eine rein platonische Freundschaft mit einem jungen Mann aufzubauen. Trost fand sie wie eh und je im Essen. Wann immer jemand ihre Gefühle verletzt hatte oder die Hormone in ihr revoltierten, stopfte sich Mary mit Cheeseburgern und Fritten voll.
Im Alter von zwanzig Jahren war ihr Hals unter mehreren Faltenlagen verschwunden. Sie trug ihr Haar lang und hielt es hinten mit einer Spange zusammen. Schönheitssalons mochte sie nicht, weil dort zu viele Spiegel angebracht waren. Doch hin und wieder überkam es sie, und dann färbte sie sich das Haar flammendrot, rabenschwarz oder blond wie weiland Jean Harlow. Nach jeder Tönung fühlte sie sich als neue Persönlichkeit. Jede neue Identität wäre ihr willkommen gewesen, insofern sie sich nur von ihrer wahren unterschied.
Als der Arzt sie wegen ihres zu hohen Blutdrucks und der Herzbelastung warnte, verstellte sie die Skala an ihrer Waage, so daß sie von nun an fünf Kilogramm weniger wog. Diese Illusion erfreute sie so sehr, daß sie sich beim Essen noch weniger Zurückhaltung auferlegte. Sie hatte die zehn Pfund bald wieder drauf und glaubte, ihr Normalgewicht wieder erreicht zu haben.
Und eines Tages erfand sie Roxanne.
Roxanne war verführerisch, wanderte von einem Bett zum anderen und besaß eine Traumfigur. Sie konnte einen Eisberg in eine Dampfwolke verwandeln, solange es sich bei diesem nur um einen Mann handelte. Roxanne kannte weder Zurückhaltung noch Moral.
Marys Alter ego lebte für den Sex und frönte ihm an jedem Ort, zu jeder Gelegenheit und zu jeder Tageszeit. Wenn ein Mann harten, schnellen und schmutzigen Sex suchte, war er bei Roxanne genau an der richtigen Adresse.
Aus einer Laune heraus hatte Mary sich bei Fantasy, Incorporated, beworben. Auf das Geld war sie nicht angewiesen. Im College hatte sie über Roastbeeftellern und Käseplatten viel gebüffelt. Sie hatte ihren Abschluß in Volkswirtschaft gemacht und war mittlerweile in einem der führenden Broker-Häuser des Landes tätig. Für ihre Klienten war sie nicht mehr als eine Stimme am Telefon, und das hatte sie schließlich auf die Idee gebracht.
Vielleicht gehörte es zu den Launen der Natur, ihren aufgeschwemmten Körper mit einer wunderschönen Stimme zu versehen. Sie sprach sanft und in einer angenehmen, etwas zu hohen Tonlage. Wenn Mary aufgeregt war, klang sie leicht atemlos und erzeugte so das Bild einer kleinen und zierlichen Frau aus gutem Hause. Die Vorstellung, die Stimme zu mehr zu nutzen, als nur Aktien und Investmentpapiere an den Mann zu bringen, war zu stark gewesen, um ihr widerstehen zu können.
Mary betrachtete sich selbst als Telefonhure. Natürlich wußte sie, daß Eileen ihr Gewerbe als eine Art Sozialdienst ansah, aber Mary gefiel sich viel zu sehr in der Rolle einer Prostituierten. Alle Frustrationen, alle unerfüllten Sehnsüchte und alle Träume, aus denen sie schweißgebadet erwacht war, ließen sich durch die siebenminütigen Telefongespräche kompensieren und ertragen.
In ihrer Fantasie war Mary tatsächlich mit jedem einzelnen Mann im Bett gewesen, mit dem sie je über die Fantasy-Leitung telefoniert hatte. In der Wirklichkeit hatte sie es nie so weit gebracht. Die Gespräche mit den gesichtslosen Kunden waren die Überdruckventile für die erhitzten, unerfüllten Fantasien, die sich in ihr angestaut hatten. Für ein paar Dollar erfüllte sie in sieben Minuten die sexuellen Bedürfnisse ihrer Kunden und bekam von ihnen noch mehr zurück.
Tagsüber verfolgte sie Kursentwicklungen, verkaufte Wertpapiere und kaufte andere an. In der Nacht aber tauschte sie ihren Geschäftsanzug gegen sexy Wäsche von Frederick’s of Hollywood aus und verwandelte sich in Roxanne.
Und sie genoß jeden
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