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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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unerträglich langweiligen Dr. Füller zu verbringen.«
    »Der ist eher dein Typ«, murmelte Ben, während er sich auf den Toilettendeckel setzte, um seine Schuhe auszuziehen.
    »Ein Langweiler ist also eher mein Typ?« Tess zog die Augenbraue hoch und lehnte sich zurück. »Vielen herzlichen Dank.«
    »Ich meine den Umstand, daß er Arzt ist, dreiteilige Anzüge trägt und bestimmt eine goldene American-Express-Karte hat.«
    »Verstehe.« Amüsiert fing sie an, sich das Bein einzuseifen. »Du hast wohl keine goldene Karte?«
    »Ich kann von Glück sagen, daß Sears mich wenigstens noch meine Unterwäsche bestellen läßt.«
    »Na, dann weiß ich aber nicht, ob ich dich in meine 349
    Badewanne einladen sollte.«
    Nackt bis auf die Jeans, die ihm über die Hüften gerutscht waren, stand er da. »Ich meine es ernst, Tess.«
    »Das sehe ich.« Sie nahm eine Handvoll Schaum und betrachtete ihn eingehend. »Vermutlich heißt das, daß du mich für eine oberflächliche, materialistisch eingestellte, statusorientierte Frau hältst, die bereit ist, ab und an gesellschaftlich eine Stufe herabzusteigen, um guten Sex zu bekommen.«
    »So habe ich das überhaupt nicht gemeint.« Frustriert setzte er sich wieder auf den Rand der Badewanne. »Sieh mal, ich habe einen Job, bei dem ich fast den ganzen Tag mit Abschaum zu tun habe.«
    Zärtlich legte sie ihre nasse Hand auf die seine. »Du hattest einen ekelhaften Tag, nicht wahr?«
    »Das hat nichts damit zu tun.« Er nahm ihre Hand und betrachtete sie einen Moment lang. Sie war klein und schmal und ging in ein zerbrechlich wirkendes
    Handgelenk über.
    »Mein Vater hat Gebrauchtwagen in einem Geschäft verkauft, das in einer ziemlich ärmlichen Vorortgegend lag. Er besaß drei Sportsakkos und fuhr einen DeSoto.
    Meine Mutter hat Plätzchen gebacken. Niemand konnte so gut Plätzchen backen wie sie. Wenn sie sich einen schönen Abend machen wollten, sind sie in die Knights of Columbus Hall gegangen. Ich habe mich auf der
    Oberschule durchgeschlagen, mich ein paar Jahre auf dem College durchgewurstelt und dann die Polizeiakademie besucht. Seitdem verbringe ich mein Leben damit, mir Leichen anzusehen.«
    »Versuchst du etwa, mich davon zu überzeugen, daß du aufgrund von Bildungs- und Klassenunterschieden nicht gut genug für mich bist?«
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    »Fang bloß nicht mit dieser Scheiße an!«
    »Na gut, dann probieren wir es eben auf andere Art.«
    Sie zog ihn in die Wanne.
    »Was, zum Teufel, soll denn das?« Er spuckte Schaum aus. »Ich bin doch noch gar nicht ausgezogen!«
    »Ist ja nicht meine Schuld, daß du so langsam bist.«
    Bevor er das Gleichgewicht wiederzuerlangen vermochte, schlang sie die Arme um ihn und preßte ihren Mund auf den seinen. Manchmal weiß selbst eine Psychiaterin, daß man eher mit Taten als mit Worten sein Ziel erreicht. Sie spürte, wie seine innere Spannung an- und abschwoll, bis er sie ebenfalls umarmte. »Ben?«
    »Hmm?«
    »Glaubst du, daß es im Moment von Bedeutung ist, daß dein Vater Gebrauchtwagen verkauft hat und meiner nicht?«
    »Nein.«
    »Gut.« Sie rutschte ein Stück zurück und wischte ihm lachend Schaum vom Kinn. »So, und wie kriegen wir dich jetzt aus der Hose?«

    Obwohl die Pizza inzwischen eiskalt war, ließen sie kein Krümelchen davon übrig. Ben wartete, bis sie den Karton in den Mülleimer geworfen hatte.
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    »Ach?« Überrascht und von närrischer Freude erfüllt blickte sie auf die Papiertüte, die er ihr hinhielt. »Wieso das?«
    »Immer mußt du Fragen stellen.« Als sie die Hand nach der Tüte ausstreckte, zog er sie zurück. »Willst du das wirklich wissen?«
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    »Ja.«
    Er kam näher, so nahe, daß er ihr den Arm um die Taille legen konnte. Sie dufteten beide nach Badeschaum. Ihr Haar war hochgesteckt und feucht. »Nun, ich glaube, ich verliere allmählich den Verstand. Ja, ich glaube, du bringst mich um den Verstand.«
    Als er sie küßte, schloß sie langsam die Augen. »Little Anthony«, murmelte sie, während sie die Melodie im Kopf vor sich hin sang. »War das 1961 oder 62?«
    »Ich hab’ mir gedacht, daß du als Seelenklempnerin auf diese Begründung abfährst.«
    »Da hattest du recht.«
    »Willst du denn gar nicht dein Geschenk haben?«
    »Hmmm. Du mußt mich erst loslassen, damit ich die Tüte aufmachen kann.«
    »Hier, aber mach schnell.« Er gab ihr die Tüte und beobachtete ihre Miene, als sie hineinspähte. Es hätte gar nicht besser sein können – verständnisloses

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