Verlorene Seelen
verkaufen, bekommen sie etwa die Hälfte dafür. Sie haben diese Leute wegen einer Handvoll alter Münzen abgeschlachtet.«
Sie blickte hinüber zu dem Schloß, das jetzt in ihre Tür eingebaut war, und verstand, warum er es gerade heute abend mitgebracht hatte. Sie zog ihn an sich und bettete seinen Kopf gegen ihren Busen, wie Frauen es tun, wenn sie jemanden trösten wollen.
»Sie werden die Münzen versetzen, und dann könnt ihr sie ausfindig machen.«
»Wir haben noch ein paar andere Anhaltspunkte.
Morgen, spätestens übermorgen haben wir sie. Aber diese Leute, Tess … mein Gott, ich mache meinen Job zwar schon geraume Zeit, aber ich kann immer noch nicht glauben, daß Menschen zu so etwas imstande sind.«
»Ich kann dir zwar nicht den Rat geben, nicht daran zu denken, aber ich kann dir sagen, daß ich für dich da bin.«
Das zu wissen war eine so einfache Sache und
schwächte das Grauen des hinter ihm liegenden Tages ein wenig ab. Sie war für ihn da, und allein das zählte heute abend für ihn.
»Ich brauche dich.« Er richtete sich auf und zog ihren 355
Kopf auf seinen Schoß, damit er ihren Hals küssen und liebkosen konnte. »Das macht mir wahnsinnige Angst.«
»Ich weiß.«
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»Also ich weiß nicht, Tess. Mit Senatoren kann ich nicht besonders gut umgehen.« Ben bleckte in Lowensteins Richtung die Zähne, als diese zu ihm herübergrinste.
Dann drehte er ihr den Rücken zu und klemmte sich den Telefonhörer zwischen Schulter und Kinnlade.
»Aber er ist mein Großvater, Ben, und er ist wirklich sehr lieb.«
»Ich habe noch nie gehört, daß jemand Senator Jonathan Writemore als lieb bezeichnet hat.«
Pilomento rief vom anderen Ende des Raums seinen Namen. Ben nickte und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, sich noch einen Moment zu gedulden.
»Das liegt daran, daß ich nicht für seine
Öffentlichkeitsarbeit zuständig bin. Wie dem auch sei, es ist Erntedankfest, und ich will ihn nicht enttäuschen.
Außerdem hast du mir erzählt, daß deine Eltern in Florida leben.«
»Sie sind beide über fünfundsechzig. Es ist so üblich, daß Eltern nach Florida ziehen, wenn sie fünfundsechzig werden.«
»Also hast du keine Familienangehörigen hier, um mit ihnen Erntedankfest zu feiern. Ich bin sicher, daß Großpapa dich gerne kennenlernen würde.«
»Tja.« Er zerrte am Kragen seines Pullovers. »Sieh mal, was das Kennenlernen von Familienangehörigen betrifft, habe ich immer einen bestimmten Grundsatz befolgt.«
»Und der wäre?«
»Ich verkneife es mir.«
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»Ach? Wieso denn das?«
»Fragen, Fragen, Fragen«, murmelte er vor sich hin.
»Als ich jünger war, wollte meine Mutter immer, daß ich meine Freundinnen mit nach Hause bringe. Meine Mutter und die Betreffende fingen dann jedesmal an,
Zukunftspläne zu schmieden.«
»Verstehe.« Er konnte förmlich das Lächeln in ihre Stimme hören.
»Jedenfalls habe ich es mir zur Regel gemacht, meine Freundinnen nicht meiner Mutter vorzustellen und mich von ihnen nicht ihrer Mutter vorstellen zu lassen. Auf diese Weise kommt niemand auf die Idee, sich schon mal nach Hochzeitskleidern umzusehen.«
»Ich kann deinen Standpunkt durchaus verstehen, und ich verspreche dir, daß weder mein Großvater noch ich über Hochzeitskleider sprechen werden, wenn du zu uns zum Dinner kommst. Miß Bette macht übrigens einen ganz tollen Kürbiskuchen.«
»Selbstgebackenen?«
»Selbstverständlich.« Eine kluge Frau weiß, wann sie nachgeben muß. »Du hast ja noch ein bißchen Zeit, um es dir durch den Kopf gehen zu lassen. Ich hätte dich auch jetzt nicht damit behelligt, aber in der ganzen Hektik der letzten Zeit hatte ich die Sache ganz vergessen, bis Großpapa mich vor ein paar Minuten telefonisch daran erinnerte.«
»Okay, ich werde drüber nachdenken.«
»Und mach dir keine Sorgen. Wenn du nicht kommst, bringe ich dir trotzdem ein Stück Kuchen mit. Jetzt muß ich mich um einen Patienten kümmern.«
»Tess …«
»Ja?«
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»Ach, nichts. Nichts«, wiederholte er. »Bis später.«
»Paris.«
»Entschuldigung.« Er legte den Hörer auf und drehte sich um. »Was gibt’s?«
Pilomento reichte ihm einen Zettel. »Wir sind bei dem Namen, den die Nachbarin uns genannt hat, endlich fündig geworden.«
»Von dem Typ, der um die kleine Leery
herumscharwenzelt ist?«
»Genau. Amos Reeder heißt er. Allzu genau konnte die Nachbarin ihn nicht beschreiben, da sie ihn nur einmal gesehen hat. Mehr als daß er gruselig aussah, weiß sie
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