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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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suchen? fragte er sich.
    Ihr Großvater ist Senator. Deiner war Metzger. Sie ist mit Dienstboten aufgewachsen, und deine Mutter macht immer noch selbst das Klo sauber. Sie hat die
    Abschlußprüfung an der Universität mit Auszeichnung bestanden, während du dich zwei Jahre auf dem College durchgewurstelt hast, bevor du dann auf die
    Polizeiakademie gegangen bist.
    Oh, natürlich hatte er Nachforschungen über sie angestellt. Das war ebenfalls sein Stil. Und er war 68
    hundertprozentig davon überzeugt, daß ihnen nach fünfzehn Minuten der Gesprächsstoff ausgehen würde.
    Sie kam mit einer kleinen Wedgewoodvase zurück, in die sie die Veilchen gestellt hatte. »Ich würde Ihnen gern einen Drink anbieten, aber ich habe keinen Stolichnaya.«
    »Macht nichts.« Er traf seine Entscheidung, ohne das Für und Wider abzuwägen. Er hatte es gelernt, auf seinen Instinkt zu vertrauen. Während sie die Veilchen auf einen Tisch stellte, trat er hinter sie und nahm ihr Haar in die Hand.
    Ohne zusammenzuzucken, ohne Überraschung zu
    zeigen, drehte sie sich langsam um und erwiderte seinen Blick. Lange Zeit sahen sie sich schweigend an.
    Sie roch nach Paris. Er erinnerte sich an die fünf Tage, die er als Twen dort verbracht hatte, praktisch ohne Geld, aber mit viel Optimismus. Er hatte sich in die Stadt verliebt – in ihr Aussehen, ihre Gerüche, ihre Atmosphäre.
    Jedes Jahr nahm er sich vor, wieder hinzufahren, um das, wonach er damals gesucht hatte, zu finden, was auch immer es gewesen sein mochte.
    »Es gefällt mir besser, wenn Sie ihre Haar offen tragen«, sagte er schließlich und ließ seine Finger noch einen Moment dort, wo sie waren. »Mit hochgesteckten Haaren sahen Sie heute nachmittag so unnahbar aus.«
    Spannung befiel sie, jene Spannung, die zwischen Mann und Frau entsteht und die sie seit Jahren nicht empfunden hatte – weil sie sich dagegen gewehrt hatte. Das tat sie nach wie vor. »Wie es sich für meinen Beruf gehört«, belehrte sie ihn und trat ungezwungen einen Schritt zurück. »Möchten Sie nun einen Drink?«
    Er spielte mit dem Gedanken, den Schutzpanzer, der sie umgab, zu durchdringen. Wie das wohl wäre? Doch ein solcher Schuß konnte nach hinten losgehen und durch 69
    seinen eigenen Panzer dringen. »Wir können auch im Theater etwas trinken. Wir haben genug Zeit, bevor das Stück anfängt.«
    »Dann hole ich meinen Mantel.«

    Mit den Angestellten im Roof Terrace schien er auf ebenso vertrautem Fuße zu stehen wie mit dem Personal der verräucherten kleinen Bar, die sie am Abend zuvor besucht hatten. Tess beobachtete, wie er mit diesem sprach, jenen begrüßte, stets ganz ungezwungen und leger.
    Dann ist er also kein Einzelgänger, schlußfolgerte sie, oder nur dann, wenn er es sein will.
    Sie bewunderte Menschen, die zwanglos mit anderen umgehen konnten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welchen Eindruck sie hinterließen oder was für eine Meinung andere von ihnen hatten. Um dazu in der Lage zu sein, mußte man zunächst einmal sich selbst gegenüber unverkrampft sein. Aus irgendwelchen Gründen hatte sie das nie geschafft, so zufrieden sie auch mit ihrem Lebensstil war.
    Ben griff nach seinem Glas, streckte die Beine aus und starrte sie an. »Sind Sie sich schon über mich im klaren?«
    »Noch nicht ganz.« Sie nahm eine Mandel aus der Schale, die auf dem Tisch stand, und zerkaute sie nachdenklich. »Aber ich glaube, Sie sind mit sich im reinen. Wenn es mehr Leute gäbe, die sich selbst so gut verstehen wie Sie, müßte ich mir einen anderen Beruf suchen.«
    »Und Sie sind sehr gut in Ihrem Beruf.« Er beobachtete, wie sie mit ihren langen schlanken Fingern nach einer weiteren Mandel griff. An ihrem rechten Ringfinger schimmerte eine antike Perle. »An der Uni waren Sie in Ihrem Jahrgang die Beste«, begann er und sah, wie ihre 70
    Hand mitten in der Bewegung innehielt. »Sie haben eine so gutgehende Privatpraxis, daß Sie die Arbeit kaum noch bewältigen können. Sie haben gerade das Angebot, als Psychiaterin im Bethesda Naval Hospital zu arbeiten, abgelehnt, sind aber einmal in der Woche unentgeltlich in der Donnerly Clinic im Südosten der Stadt tätig.«
    Seine kleine biographische Skizze ärgerte sie. Tess war daran gewöhnt, mehr über die Leute, mit denen sie zu tun hatte, zu wissen, als diese über sie wußten. »Holen Sie sich immer erst Hintergrundinformationen ein, wenn Sie sich mit einer Frau verabreden, Detective?«
    »Reine Gewohnheitssache«, sagte er unbekümmert.
    »Sie

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