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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Heiligenbilder noch Darstellungen des Erlösers, und Statuetten der Heiligen Jungfrau mit ihrem traurigen, verständnisvollen Gesicht waren ebenfalls nirgendwo zu sehen. Was es dort gab, waren Bücher, Dutzende und Aberdutzende von Büchern, einige über Theologie, andere über Psychiatrie und ein paar übers Angeln. Statt eines Kruzifixes hing ein präparierter Barsch an der Wand.
    Auf einem Pult befand sich eine alte Bibel mit verziertem Einband; ein moderneres, jedoch abgegriffener aussehendes Exemplar lag aufgeschlagen auf dem Tisch, daneben ein Rosenkranz aus dicken Holzperlen.
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Monsignore Logan.« Tess streckte auf kollegiale Weise die Hand aus, was Ben unangenehm berührte. Der Mann war immerhin Priester, ob er nun ein Tweedsakko trug oder nicht, und Priestern mußte man ehrfürchtig begegnen; sogar ein bißchen Angst haben mußte man vor ihnen und sie respektieren. Sie sind von Gott berufen, hatte seine Mutter immer gesagt. Sie spendeten die Sakramente, vergaben Sünden und erteilten den Sterbenden Absolution.
    Auch zu Josh war ein Priester gekommen, als sein Bruder bereits tot war. Er hatte der Familie Trost zugesprochen und sein Mitgefühl bekundet, jedoch nicht 121
    für Joshs Seele gebetet. Selbstmord. Die schlimmste der Todsünden.
    »Ganz meinerseits, Dr. Court.« Logan hatte eine klare, dröhnende Stimme, die man ohne Mühe auch in den hintersten Winkeln einer Kathedrale verstanden hätte.
    Doch gleichzeitig hatte sie eine gewisse Schärfe, eine Schroffheit, die Ben an einen Schiedsrichter erinnerte, der den Spielstand ausrief. »Ich war damals bei Ihrem Vortrag über Demenz. Leider hatte ich hinterher nicht die Gelegenheit mit Ihnen zu sprechen und Ihnen zu sagen, wie brillant ich ihn fand.«
    »Vielen Dank, Monsignore. Detective Paris und
    Detective Jackson – sie leiten das Ermittlungsteam.«
    »Meine Herren.«
    Ben schüttelte ihm die Hand und kam sich töricht vor, weil er, wenn auch nur einen Augenblick lang, etwas erwartete, das nicht bloß aus Fleisch und Blut bestand.
    »Bitte, machen Sie es sich bequem.« Er wies auf einige Stühle. »Ihr Täterprofil und Ihr Bericht habe ich erhalten, Dr. Court.« Ungezwungen und leger wie ein Mann auf dem Golfplatz begab er sich hinter seinen Schreibtisch.
    »Ich habe beide heute vormittag gelesen und finde sie sowohl beunruhigend als auch scharfsinnig.«
    »Dann stimmen Sie also zu?«
    »Ja. Anhand der Informationen des Ermittlungsberichts hätte ich ein ganz ähnliches Täterprofil erstellt. Die religiösen Aspekte sind unverkennbar. Natürlich kommt es bei Schizophrenen häufig vor, daß sie sich auf religiöse Dinge berufen und entsprechende Wahnvorstellungen haben.«
    »Johanna von Orleans hat auch Stimmen gehört«, murmelte Ben.
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    Logan lächelte und faltete seine großen kräftigen Hände.
    »Wie unzählige andere Heilige und Märtyrer. Die einen behaupten, daß jeder, der vierzig Tage lang fastet, anfängt, Stimmen zu hören, während andere sagen, die
    Betreffenden seien auserwählt worden. In unserem Fall sind wir uns wohl alle darüber einig, daß wir es nicht mit einem Heiligen, sondern einem äußerst gestörten Geist zu tun haben.«
    »Gar keine Frage«, murmelte Ed, der sein Notizbuch gezückt hatte. Er erinnerte sich, daß er sich ein wenig …
    nun, vergeistigt gefühlt hatte, als er einmal drei Tage lang gefastet hatte.
    »Als Arzt und als Priester halte ich Mord für eine Versündigung gegen Gott und für einen Akt extremer geistiger Umnachtung. Doch um zu verhindern, daß die Sünde von neuem begangen wird, müssen wir uns
    zunächst mit der geistigen Umnachtung befassen.«
    Logan schlug den Hefter mit Tess’ Bericht auf und klopfte mit dem Finger darauf. »Es hat den Anschein, daß die religiösen Aspekte und Wahnvorstellungen im Katholizismus wurzeln. Ich muß Ihrer Ansicht
    beipflichten, daß sich die Verwendung eines Humerales als Mordwaffe entweder als Affront gegen die Kirche oder als Ausdruck der Ergebenheit ihr gegenüber deuten läßt.«
    Tess beugte sich vor. »Glauben Sie, daß er Priester sein könnte? Oder daß er es früher einmal gewesen ist oder vielleicht werden wollte?«
    »Ich halte es für durchaus möglich, daß er zum Priester ausgebildet wurde.« Sein Stirnrunzeln entstand langsam und schien sich auf die Stelle zwischen seinen Augen zu konzentrieren. »Es gibt andere Teile des Priesterhabits, die für eine Strangulation genausogut zu verwenden wären.
    Das Humerale trägt

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