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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Doktor.«
    »Natürlich nicht.«
    »Es war, als hätte er meine Seele berührt.«
    Das hatte Tess befürchtet. Sie verließ ihren Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl, der ihrer Patientin gegenüberstand. »Mrs. Halderman, erinnern Sie sich noch an Mr. Asanti?«
    »An den?« Mit einem Naserümpfen tat Mrs. Halderman ihren vierten Ehemann ab.
    »Als Sie ihm in der Kunstgalerie begegnet sind, vor seinem Gemälde von Venedig, haben Sie auch gedacht, er hätte Ihre Seele berührt.«
    »Das war etwas anderes. Asanti war Italiener. Sie wissen doch, wie gut italienische Männer mit Frauen umgehen können. Maxwell ist aus Boston.«
    Tess unterdrückte einen Seufzer. Das würden sehr lange fünfzig Minuten werden.

    Als Ben das Vorzimmer von Tess’ Büro betrat, stellte er fest, daß es dort genauso aussah, wie er erwartet hatte. Es war ebenso sachlich und schick wie ihr Apartment.
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    Besänftigende Farben, kräftiges Rosa, rauchige Grautöne, die beruhigend auf ihre Patienten wirken würden. Die Farne, die auf den Fensterbrettern standen, hatten feuchte Blätter, als wären sie gerade mit Wasser besprüht worden.
    Die frischen Blumen und die in einer Vitrine stehenden Statuetten verliehen dem Raum eher das Gepräge eines Salons als eines Vorzimmers. Da die Zeitschrift Vogue aufgeschlagen auf einem niedrigen Beistelltisch lag folgerte er, daß Tess gerade eine Frau behandelte.
    Ihre Praxis erinnerte ihn in keiner Weise an die eines anderen Arztes, die weiß getüncht war und in der es nach Leder gerochen hatte. Als die Tür sich hinter ihm schloß, wurde ihm weder flau im Magen, noch brach ihm im Nacken der Schweiß aus. Hier würde er auch nicht auf seinen Bruder warten, weil Josh nicht mehr da war.
    Tess’ Sekretärin saß an einem eleganten, lasierten Schreibtisch und gab etwas in einen Computer ein. Als Ben und Ed hereinkamen, hörte sie auf zu tippen und sah sie an. Sie wirkte ebenso ruhig und angenehm wie der Raum, in dem sie sich befanden. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Detective Paris und Detective Jackson.«
    »Ach, ja. Dr. Court erwartet Sie. Sie hat gerade eine Patientin. Wenn Sie einen Moment warten wollen, hole ich Ihnen einen Kaffee.«
    »Nur heißes Wasser, bitte.« Ed zog einen Teebeutel aus der Tasche.
    Die Sekretärin zeigte nicht die Spur einer Reaktion.
    »Selbstverständlich.«

»Du bringst mich dauernd in peinliche Situationen«, murmelte Ben, als sie in einem kleinen Nebenzimmer verschwand.
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    »Ich pumpe mich doch nicht mit Koffein voll, bloß um gesellschaftlich akzeptabel zu sein.« Während der Beutel mit Kräutertee an seiner Hand baumelte, sah er sich im Zimmer um. »Wie findest du’s hier? Klasse, was?«
    »Ja.« Ben schaute sich noch einmal um. »Paßt zu ihr.«
    »Ich verstehe nicht, warum das solch ein Problem für dich ist«, sagte Ed in mildem Ton, während er einen Monet-Druck – Sonnenaufgang über dem Wasser –
    betrachtete, dessen Farben sanft ineinander
    verschwammen; nur hier und da leuchteten kräftige Töne auf. Das Bild gefiel ihm aus dem gleichen Grund, weshalb ihm die meisten Kunstwerke gefielen, nämlich weil jemand die Fantasie und die Fertigkeit besessen hatte, sie zu erschaffen. Seine Ansichten über die Menschheit sahen ganz ähnlich aus.
    »Eine gutaussehende Klassefrau mit scharfem Verstand sollte einen Mann, der genau weiß, was er wert ist, nicht verunsichern.«
    »Mensch, du solltest Kolumnist werden.«
    In dem Moment ging die Tür zu Tess’ Büro auf, und Mrs. Halderman kam, ihren Zobelmantel über dem Arm, heraus. Als sie die Männer sah, blieb sie stehen und lächelte. Dann preßte sie die Zungenspitze gegen die Oberlippe, etwa so wie ein kleines Mädchen, das gerade eine große Portion Schokoladeneis erspäht hat. »Hallo.«
    Ben hakte die Daumen in seine Hosentaschen. »Hallo.«
    »Warten Sie auf Dr. Court?«
    »So ist es.«
    Ohne sich von der Stelle zu rühren, musterte sie Ed und riß die Augen auf. »Meine Güte, Sie sind aber schön groß.«
    Ed schluckte, als hätte er einen Kloß im Hals. »Ja, 117
    gnädige Frau.«
    »Große Männer … faszinieren mich einfach.« Sie trat zu ihm, blickte an ihm hoch und klapperte mit den Augendeckeln. »Bei großen Männern fühle ich mich immer ganz hilflos und schwach. Wie groß sind Sie denn, Mister …?«
    Grinsend ging Ben, die Daumen immer noch in die Taschen gehakt, zu Tess’ Tür und überließ Ed seinem Schicksal.
    Sie saß mit zurückgelehntem Kopf und geschlossenen Augen hinter dem

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