Verlorenes Spiel
wurde.«
»Ich
glaube, es war ein Verrückter«^ sagte sie.
Ich
schüttelte verdrossen den Kopf. »Darüber haben wir uns doch schon ausgiebig unterhalten.«
»Ich
meine nicht einfach irgendeinen Verrückten«, sagte sie. »Ich meine einen ganz
besonderen Verrückten. Jemanden, der verrückt ist, es aber nach außen in keiner
Weise zeigt, so daß niemand von uns etwas darüber weiß.« Plötzlich schauderte
sie. »Ich fange an, Angst zu bekommen, Lieutenant, wenn ich nur daran denke.«
Sie schlang ihre Arme wie schützend vor sich. »Und wenn ich nachts in meinem
Zimmer bin, muß ich immer daran denken, daß Alice aus ihrem Schlafzimmer geholt
und umgebracht worden ist.«
»Sie
sollten nachts Ihre Tür abschließen«, sagte ich freundlich.
»Das
tue ich«, sagte sie, »aber eine verschlossene Tür ist gegenüber einem
Verrückten kein großer Schutz, Lieutenant.«
Ich
bot ihr eine Zigarette an, und sie nahm sie. Ich gab ihr Feuer und zündete dann
meine eigene Zigarette an. »Haben Sie wirklich Grund, Angst zu haben?« fragte
ich sie. »Kennen Sie denn irgendeinen Grund, wegen dem — dieser — Verrückte Sie
umbringen will?«
»Keinen«,
sagte sie. »Ich vermute, daß meine Nerven langsam am Ende sind. Jedenfalls bin
ich froh, wenn Sie den Mörder, wer es auch immer sein mag, festnehmen werden,
Lieutenant.«
»Ich
auch«, sagte ich.
»Ich
nehme Ihre Zeit in Anspruch«, sagte sie und lächelte schwach. »Ich sollte Sie
wahrscheinlich nicht mehr länger aufhalten.«
»Ich
habe es mir gerade überlegt«, sagte ich. »Sie brauchen nicht mit mir
mitzufahren.«
»Nun«,
sagte sie, und man sah, wie es einen Augenblick in ihrem Gesicht arbeitete.
»Ich — danke Ihnen, Lieutenant.«
Ich
war dabei, auf den Anlasser zu drücken, als ich es mir anders überlegte und sie
noch einmal ansah. »Sind Sie ganz sicher, daß es für Ihre Befürchtung, der
Mörder habe es auch auf Sie abgesehen, keinen besonderen Grund gibt?«
»Die
Art und Weise, in der er Alice das Brandmal zufügte, geht mir im Kopf herum«,
flüsterte sie. Ein Zittern durchlief ihren Körper, und es war, als ob sie sich
erneut ganz klein machte. »Warum tat er das? Was sollte dieses >W<
bedeuten?«
»Haben
Sie irgendeine Vorstellung?« fragte ich sie.
»Das
Brandmal ist die Ursache meiner Alpträume«, sagte sie. »Es geht mir nicht aus
dem Kopf.«
»Sie
haben meine Frage nicht beantwortet«, erinnerte ich sie.
»Vermutlich
erzog uns Mutter zur Achtung des Namens der Familie und dem, was er in der
Öffentlichkeit bedeutet«, sagte sie. »Ehre! Ich glaube, ich habe dieses Wort
aussprechen gelernt, bevor ich >Hund< oder >Katze< oder sonst ein
ganz einfaches Wort sagen konnte.«
»Was
Sie nicht sagen«, stichelte ich freundlich.
»Daher
ist das bei mir zu einer Art Zwangsvorstellung geworden.« Sie versuchte zu
lächeln, aber es gelang ihr nicht. »Ich weiß, was die anderen über Alice und
diesen Kerl aus dem Nachtclub dachten. Und jetzt erzählen Sie mir auch noch,
daß sie schwanger war.«
»Und
das alles verbirgt sich hinter diesem >W« fragte ich.
Sie
nickte nervös. »Vielleicht bin ich ein bißchen irre, aber mir scheint es so,
>W< für >wüst<. Für ihr wüstes Leben!«
Plötzlich
drehte sie sich um und rannte beinahe ins Haus zurück.
Diesmal
drückte ich auf den Anlasser, fuhr mit dem Wagen die Zufahrt hinunter auf die
Autostraße des Tales und schließlich zur Stadt zurück. Ich raste keineswegs.
Carson hatte ungefähr einen Vorsprung von zehn Minuten, und ich wollte ihm
ausreichend Zeit lassen, in sein Büro zu gelangen und sich dort zu
installieren.
Es
war kurz nach zwei als ich seine Kanzlei betrat. Das Mädchen mit dem
Renommierbusen saß hinter der Anmeldung und holte in dem Augenblick, als sie
mich kommen sah, instinktiv tief Luft.
»Ich
möchte Mr. Carson sprechen«, sagte ich zu ihr.
»Mr.
Carson ist weggegangen«, sagte sie kühl. »Er kam vor ungefähr einer
Viertelstunde her, begab sich dann aber fast im gleichen Augenblick zum Lunch.
Ich glaube nicht, daß er vor bestenfalls einer halben Stunde zurück sein wird.«
Ich
hatte ihm also zuviel Vorsprung gelassen. »Gut«, sagte ich. »Da bleibt mir also
nichts anderes übrig, als in seinem Büro auf ihn zu warten.«
»Das
können Sie unter keinen Umständen.«
»Ich
kann alles«, sagte ich nachdenklich. »Außer einen Pullover auf die Art tragen,
wie Sie das tun.«
Dann
begab ich mich in Carsons Büro, machte die Tür auf und trat ein. Ich hatte noch
kaum im
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