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Verlorenes Spiel

Verlorenes Spiel

Titel: Verlorenes Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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kreischte der Summer, und mir blieb nichts anderes übrig, als
mich aus dem Sessel zu erheben und die Tür aufzumachen. Vor mir stand, ein
leichtes Lächeln im Gesicht, eine Brünette. »Das ist eine Überraschung, nicht,
Al?« sagte sie leise. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich hineinkomme?«
    Sie
ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, während ich noch immer überlegte, ob ich was
dagegen hatte oder nicht. Ich schloß die Tür und folgte ihr.
    Wiederum
war sie das Mädchen in Gold — sie trug ein Goldlamékleid mit zwei dünnen Trägern. Es war tief ausgeschnitten, besonders in der Mitte, wo
es jene Art Schlucht entblößte, die einstmals Leuten wie mir Anlaß war, sich
vor dem Fernsehschirm niederzulassen. Übergroße Ohrringe, an denen goldene
Fuchsschwänze hingen, funkelten jedesmal im Licht, wenn sie ihren Kopf bewegte.
Ein vergoldeter Schmetterlingskamm aus Kristall krönte ihre Frisur à la
Josephine. Wenn Napoleon angesichts eines ähnlichen Anblicks wirklich jenes » Neinheutenachtnicht -« aussprach, dann kann ich nur sagen,
bedarf der Rückzug aus Rußland keiner weiteren
Erklärung.
    »Melanie
Randall«, sagte ich widerwillig. »Du siehst irgendwie kolossal aus.«
    »Vielen
Dank.« Ihr Lächeln verstärkte sich. »Willst du mir nicht einen Stuhl und
irgendwas zu trinken anbieten?«
    »Setz
dich, ich bring’ dir gleich ein Glas«, sagte ich rasch, und als ich den Whisky
eingegossen hatte, saß sie bereits auf der Couch und hatte es sich gemütlich
gemacht.
    Sie
nahm das Glas aus meinen Händen und lehnte sich zurück. »Laß dich durch die
Aufmachung nicht täuschen, Al«, sagte sie. »Ich komme als Schwester der
Barmherzigkeit, und es handelt sich ausschließlich um eine Wallfahrt.«
    »Du
willst wohl sagen, du bist gekommen, um ein wenig weiblichen Frohsinn in die
Dürre und Trostlosigkeit meines Lebens zu bringen?«
    »Ich
bin wegen meines Mannes hier. Seit Justine ihn heute nachmittag angerufen hat, hat er nervöse
Magenbeschwerden. Sie haben einen Grad erreicht, daß ich ebenfalls nervöse
Magenbeschwerden bekomme. Er sieht sich bereits im Steinbruch von San Quentin
arbeiten, während Mutter Randall, die Flinte in der Hand, in der Uniform eines
Wärters neben ihm steht und aufpaßt.«
    »Und
was kann ich daran ändern?« sagte ich.
    »Du
könntest ihn aus seiner Qual erlösen und ihm sagen, daß du ihn als wichtigen
Tatzeugen festnimmst, oder? Er findet, daß es sehr gerissen von dir war, Justine durch die Behauptung — er habe das gesagt — zu dem
Eingeständnis zu bewegen, daß das Alibi fabriziert war. Nach dem Krachen im
Telefon zu urteilen, war Justine außer sich, als sie anrief. Jedenfalls hat es
Francis gutgetan.«
    »Er
kann sich beruhigen«, sagte ich. »Ich gedenke keinen von beiden als Tatzeugen
festzunehmen.«
    »Das
ist reizend von dir, Al.« Sie lächelte warm und klopfte auf den Platz neben
sich. »Warum setzt du dich nicht? Oder hast du irgendeine Verabredung?«
    »Ich
muß gleich gehen«, sagte ich und setzte mich vorsichtig neben sie.
    »Lieber
Himmel!« Sie hob die Augenbrauen. »Aber sicher sehr romantisch. Ich wette, es
handelt sich um eine dieser flachbrüstigen, blutarmen Blondinen. Ich bin
niemals dazu vorgedrungen, romantische Gefühle zu haben. Ich war immer viel
zuviel mit indischer Erotik beschäftigt.«
    Sie
trank ein bißchen von ihrem Whisky. »Der kleine Francis ist also aus dem
Schneider, wie? Es beunruhigte ihn dermaßen, daß er aufstand, sich anzog und zu
Mutter Randall fuhr. Vermutlich, um ein paar liebe, kleine, männliche Tränen an
ihrem gußeisernen Busen zu vergießen.«
    Ihre
Beine berührten die meinen mit der Intimität uralter Bekanntschaft. »Und da
sitzt nun das kleine Aschenbrödel«, sagte sie atemlos, »ohne jedes Zuhause,
ohne schützendes Dach, nach einem Prinzen lechzend, und nun, wo sie ihn hat,
hat er schon eine andere Verabredung.«
    Darauf
hatte ich einiges zu sagen, und so räusperte ich mich.
    »Jaja«,
lachte sie träge. »Aber das ist wohl mein Schicksal — wieder in meine garstige
Spülküchenecke zurückgeschickt zu werden.«
    Ihr
Glas war leer, so daß ich es gleichzeitig mit dem meinen aufs neue füllte. »Was
beweist eigentlich diese ganze Alibi-haben-und-nicht-haben-Geschichte, Al? Daß
einer von ihnen der Mörder ist?«
    »Durchaus
möglich«, sagte ich. Ich blickte auf meine Uhr und sah, daß es erst Viertel
nach sieben war.
    »Hast
du vielleicht zwei Verabredungen, Casanova?« fragte sie.
    »Nur
die eine«, sagte

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