Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Schritt herankommen, um sich dann urplötzlich mit einem akrobatischen Sprung und einer Vielzahl tippelnder Schritte bis zum Waldrand zurückzuziehen. Dabei gelang es Barat kaum, den blitzschnellen Bewegungen des Wesens mit den Augen zu folgen. Vom Waldrand aus warf es ihm noch einen undefinierbaren Blick zu und verschwand im nächsten Moment im Zwielicht der hohen Bäume.
Barat war unschlüssig, was er von dieser Begegnung zu halten hatte. Einerseits schätzte er die Gefahr, die von diesem flinken Waldbewohner ausging, als nicht übermäßig groß ein, da es nicht so aussah, als würden zwei heruntergekommene Diebe auf der Flucht vor dem Gesetz auf seinem Speiseplan stehen. Andererseits mochte in diesem verborgenen Wald auch ein ganzes Rudel dieser Wurzelbälger hausen, und wer konnte schon wissen, wie freundlich sie sich noch in der Überzahl verhielten. Jedenfalls schien Rai, abgesehen von seiner Verwundung durch das Wurfgeschoss der Zarg, unversehrt. Anscheinend hatte das Wesen die Farnblätter nur entfernt, um zu sehen, was sich darunter verbarg. Auch das dunkle Schwert lag noch an Rais Seite, und Barat schalt sich innerlich für den abwegigen Gedanken, eine solche Kreatur könnte Interesse an einer geschmiedeten Waffe haben. Im gleichen Moment erkannte er, dass sich der vorher so verkrampfte Griff seines jungen Freundes um das Heft der schwarzen Klinge nun endlich gelöst hatte. Das unangenehme Gefühl beschlich ihn, die merkwürdige Kreatur könnte doch etwas mit der Klinge zu schaffen haben, aber sein Verstand verwarf diese spontane Eingebung gleich wieder als abergläubischen Humbug. Entscheidend war nur, dass er das Schwert nun dazu benutzen konnte, sich einen Speer zum Fischen zu schnitzen – falls er es wagen würde, die Klinge anzufassen. Unschlüssig näherte sich Barat dem schwarzen Stahl, der da vollkommen harmlos zwischen den Steinen lag. Nach einem Moment des Nachdenkens hob er das Schwert mit spitzen Fingern vorsichtig an der Parierstange auf. Ein kaltes Prickeln lief durch seine Finger, sonst geschah nichts. Er verkeilte die Klinge eilig zwischen einigen größeren Kieseln, damit er bei der Fertigung seines Speeres so wenig wie möglich mit der unheimlichen Waffe in Berührung kommen würde. Erleichtert machte er sich schließlich auf die Suche nach einem geeigneten Stock, der ihm als Fischlanze dienen würde.
Der nahe gelegene Wald war bereits in der Dämmerung versunken, und die sichtbare Welt begann zunehmend zu dem engen Lichtkreis zusammenzuschrumpfen, der von Barats Feuer ausging. Der altgediente Soldat war schon an Tausenden solcher Feuer gesessen, hatte den Geschichten seiner Kameraden gelauscht und es dabei genossen, das unbekannte Dunkel um sich herum für einige Stunden zu vergessen. Nur, diesmal war er allein. Niemand war bei ihm, dessen lebendige Erzählungen die bedrückende Realität ersetzen konnten. Die Schatten rückten weiter gegen Barats kleine Lichtinsel vor, und was auch immer sich im Schutz der Dunkelheit seinem Lager näherte, würde von ihm unbemerkt bleiben, bis es zu spät war. Außerdem war er todmüde. Nach unzähligen Versuchen hatte er mit seinem zugespitzten Stock endlich einen Fisch respektabler Größe gefangen. Nachdem es ihm schließlich auch gelungen war, ein Feuer zu entfachen, um seinen Fang zuzubereiten, hatte der gebratenen Fisch zwar das nagende Hungergefühl vertreiben können, jedoch war stattdessen die Müdigkeit über ihn hereingebrochen wie ein gefällter Baum. Seit seiner Mahlzeit rang er mit dem Schlaf, und nur die nahende Dunkelheit mit den möglichen Gefahren, die darin lauerten, hielten ihn davon ab, dem Verlangen seines Körpers nach Ruhe nachzugeben.
Zwei Lichtpunkte, nur wenige Schritt entfernt von ihm, ließen ihn unverzüglich jeden Gedanken an Schlaf vergessen. Ohne Vorwarnung waren sie am Rande des Lichtkreises aufgetaucht, wie zwei Kerzenflammen in der Dunkelheit. Er brauchte einen Augenblick, bis er begriffen hatte, worum es sich handelte. Der Widerschein seines Feuers leuchtete in einem dunklen Augenpaar. Barat rappelte sich auf. Sein Herz schlug, als wolle es aus seiner Brust springen. Der Wurzelbalg war zurückgekehrt! Vorsichtig bewegte Barat sich rückwärts, wo das dunkle Schwert immer noch verkeilt zwischen den Steinen steckte. Das glänzende Augenpaar blieb auf ihn gerichtet. Seine zitternde Hand griff nach dem kalten Stahl. Langsam befreite er ihn aus der Umklammerung der Steine. Nur einen Moment musste er seine
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