Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
bist, aber ich sehe auch, dass du nun versuchst, einen anderen Weg zu gehen. Und vielleicht folgen wir ja beide dem Pfad, den Bajula uns vorgibt, wer weiß.«
Kawrin lächelte dankbar. Rai fühlte sich hingegen merkwürdig schwermütig. Möglicherweise waren sie ja wirklich alle nur, wie Arton es einmal ausgedrückt hatte, Spielfiguren der Götter, die sich zum Vergnügen der Himmelsherrscher wie Marionetten an unsichtbaren Schnüren durch ihr Leben führen ließen, in dem lachhaften Glauben, die Wahl ihres Weges selbst treffen zu können.
Gegen Mittag des nächsten Tages versammelten sich Arton, Rai, Kawrin, Barat und Bergmeister Erbukas vor dem ausgebrannten Wachturm, um darüber zu beraten, wie das weitere Vorgehen aussehen sollte. Grundsätzliche Einigkeit herrschte darüber, dass schnellstmöglich etwas unternommen werden musste, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis die Garnison am Hafen davon Wind bekam, was mit der Mine geschehen war. Doch wie man dieser Bedrohung am besten begegnen könnte, darüber gab es keine einstimmige Meinung.
»Warum suchen wir nicht bei den Waldbewohnern auf der anderen Gebirgsseite Zuflucht?«, lautete Barats Vorschlag.
»Wir können meine Leute nicht einer solchen Gefahr aussetzen«, wandte Kawrin ein. »Den Spuren von über zweihundert Menschen kann man leicht folgen, und ich glaube nicht, dass es auf der Insel ein sicheres Versteck für uns alle gibt. Früher oder später werden sie uns finden. Außerdem gibt es dort auch nicht genug Nahrung für alle.«
Barat, der zwar immer noch ein wenig das Bein nachzog, aber sonst wieder merklich besser bei Kräften war, runzelte besorgt die Stirn: »Wenn ich das richtig überschlagen habe, dann sind wir sogar mehr als dreihundert. Damit werden wir an jedem Ort der Insel vor einem Nahrungsproblem stehen. Die Vorräte aus dem Lagerhaus reichen noch für zwei Tage – wenn sie streng rationiert werden –, danach müssen wir auf eigenen Füßen stehen.«
»Wir können nicht für dreihundert Leute Wild jagen und Früchte sammeln«, schaltete sich Meister Erbukas ein, »das gibt der Wald nicht her. Zudem können nicht alle auf die Jagd gehen, wenn ständig ein Angriff der königlichen Truppen droht. Nein, am besten wäre es, wenn wir irgendwie von der Insel entkommen könnten. Vielleicht sollten wir einige Schiffe im Hafen kapern und damit unser Glück versuchen.«
»Das ist doch alles Unsinn«, empörte sich Rai, der sich mit zunehmender Ungeduld die verschiedenen Vorschläge angehört hatte. »Wir können nicht zu Kawrins Leuten, weil wir sie damit in Gefahr bringen, wir können aber auch nicht hier bleiben, weil wir dann ständig mit einem Angriff der Gardisten rechnen müssen. Und entschuldigt bitte, Erbukas, aber die Flucht auf ein paar Schiffen, zusammengepfercht, ohne Essen und wahrscheinlich bald verfolgt von der königlichen Flotte, halte ich auch nicht für sonderlich viel versprechend.«
»Ach ja, ist das so, mein weiser Weggefährte?«, sagte Barat mit einem leicht ironischen Unterton, »und welchen Geniestreich hat dein so kluges Hirn inzwischen ausgebrütet?«
»Wir greifen die Hafengarnison an«, antwortete Arton überraschend anstelle des Tileter Straßendiebs.
»Was?«, entfuhr es Barat und Erbukas gleichzeitig.
»Es ist unter den gegebenen Umständen der einzig gangbare Weg«, bekräftigte Arton in ungewohnt eindringlichem Tonfall. »Mit den Schwertern, die wir im Lager und der Schmiedesiedlung gefunden haben, verfügen wir über genügend Waffen für gut achtzig Mann, zudem über Rüstungen für knapp die Hälfte, außerdem sind acht Armbrüste, fünfzehn Schilde und ein Dutzend Sechs-Fuß-Spieße in unserem Besitz. Von den gefangenen Handwerkern konnte ich erfahren, dass die ganze Garnison von Andobras nur aus knapp hundert Mann besteht, wovon etwa ein Drittel hier stationiert war. Die restlichen Truppen sind in der Festung am Hafen untergebracht.«
»Verzeiht, Arton«, wagte ihn Barat zu unterbrechen, »aber das sind immer noch über sechzig gut ausgebildete Soldaten des Königs gegen achtzig entflohene Minensklaven. Das wird kein sehr ausgewogener Kampf, wie ich meine.«
»Genau gesagt haben wir es sogar mit über siebzig Mann zu tun«, antwortete Arton unbekümmert, »denn innerhalb der Festungsmauern befindet sich außerdem der Cittempel, der von zehn weiteren Wächtern geschützt wird.« Er machte eine kleine Pause, in der er die besorgten Gesichter der Anwesenden zu studieren schien.
Rai fingerte
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