Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
bekommen, sobald Arton seinen ausgefeilten Plan in die Tat umzusetzen vermochte. Dann könnte er endlich über Arden triumphieren. Ein kaltes Lächeln glitt über sein Gesicht.
FÄDEN DES SCHICKSALS
W ährend in Seewaith gerade erst das Ende des Winters erkennbar wurde, wehte in Citheons Hauptstadt Tilet bereits ein lauer Wind durch die Straßen, der die Menschen dazu verführte, auf den flachen Hausdächern zu entspannen oder einen ausgedehnten Spaziergang am Meer zu unternehmen, anstatt ihren Geschäften nachzugehen. Die weiß verputzten Wände der Tileter Wohnhäuser leuchteten hell in der Sonne, die weiten, gepflasterten Straßenzüge der Stadt wirkten sauber und ruhig.
Weit weniger beschaulich ging es derzeit allerdings im Palast von Tilet zu, wo der Kommandant der Palastwache gerade König Jorig Techel Rede und Antwort zum gestrigen Einbruch in die Schatzkammer stehen musste. Nach dem kühnen Versuch einiger Unbekannter in der vorangegangenen Nacht, einen Teil der Thronschätze zu rauben, hatte der Kommandant noch immer keine Erfolge zu vermelden.
»Keine Spur?« Die breiten Hände des Königs umklammerten die Lehnen des Throns so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sein ohnehin sonnengebräuntes Gesicht hatte sich noch dunkler verfärbt, und an seinen Schläfen traten die Adern hervor. Dies galt, so wusste jeder im Palast, als deutliches Zeichen äußerster Verärgerung des Königs.
»Kann ich mich jetzt nicht einmal mehr in Ruhe zu Bett begeben, ohne dass ich damit Gefahr laufe, von irgendwelchem schwarz berobten Gesindel um mein Eigentum gebracht zu werden?«, polterte er weiter.
Der Urheber seines Zorns kniete mit schuldbewusster Miene vor ihm. Es war der Kommandant Garlan Fedochin, der sich gestern an der Mauer von Barat hatte täuschen lassen. Als oberster Befehlshaber der Palastwache musste er nun die gesamte Verantwortung für den Vorfall übernehmen.
Garlan versuchte, den König zu besänftigen: »Mit Verlaub, Euer Majestät, gestohlen hat der andere, der Junge, und zwar lediglich das alte Schwert, nichts Wertvolles. Ich …«
»Nichts Wertvolles?« Der König hielt seine Stimme nur noch mühsam unter Kontrolle. »Wie kannst du armseliger Tölpel überhaupt ermessen, was für unser Reich von Wert ist und was nicht?« Er wurde leiser, sein Ton nahm jedoch an Bedrohlichkeit zu. »Habe ich denn nur Idioten in meiner Wache? Euch vertraue ich mein Leben und das meiner Familie an, und der ganze Gardisten-Haufen hat zusammen nicht mehr Verstand als eine Horde Straßenköter, die sich von einer Katze zum Narren halten lassen.« Er fuhr sich resignierend mit der Hand über sein Gesicht. »Schön«, sagte er schließlich kopfschüttelnd, »der Junge mit dem Schwert ist entkommen. Ich möchte gar nicht wissen, wie ihm das gelingen konnte. Aber was ist mit dem anderen, dem Schwarzen. Ist der auch entkommen?«
»Nein, mein König. Nachdem er sechs unserer Leute niedergemetzelt hatte, schien ihm aufgefallen zu sein, dass sich sein junger Komplize aus dem Staub gemacht hat. Er zögerte einen Moment, sodass es mir und meinen Männern gelang, ihn einzukreisen. Doch statt sich zu ergeben, steckte er sich irgendwie selbst in Brand. Zwei meiner Leute hat es auch erwischt. Der eine ist jetzt tot, der andere wird nie wieder sehen können. Schlimme Sache. Von dem schwarzen Bastard blieb nur ein Häufchen Asche übrig.«
Garlan konnte es nicht mit Sicherheit sagen, jedoch schien ihm, als ob der Zorn in den bernsteinfarbenen Augen des Königs bei diesen Worten für einen winzigen Augenblick einem anderen Ausdruck gewichen war: Panik.
»So, so, selbst entzündet«, entgegnete der König nach einer Pause. Seine buschigen Augenbrauen schoben sich weiter zusammen, sodass sich eine tiefe Furche in seine Stirn grub. Die Augen des Königs waren nun völlig beschattet. Er fuhr sich durch sein nach südlicher Sitte kurz geschnittenes graues Haar, als wolle er einige lästige Gedanken aus seinem Kopf streichen. Danach erstarrte sein bartloses Gesicht zu einer steinernen Maske. Seine volle Bassstimme bebte gefährlich, als er weitersprach: »Ich glaube, ich werde eure Weinrationen streichen müssen. Doch es ist gleich, betrunken oder nicht, ihr habt versagt.«
Er winkte, und aus den Schatten hinter dem Thron trat eine hagere Gestalt hervor, die sich zum König hinabbeugte. Der Herrscher von Citheon flüsterte dem weißhaarigen, runzeligen Mann etwas ins Ohr, worauf dieser nur mit einem kurzen Nicken antwortete.
Weitere Kostenlose Bücher