Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
mit athletischer Figur hatte den Raum betreten. Er überragte Arton um einen Kopf, war aber weniger muskelbepackt als dieser. Die blauen Augen, sein langes blondes Haar und seine heiteren Gesichtszüge verliehen ihm eine besondere Ausstrahlung, die vor allem bei den Frauen ihre Wirkung selten verfehlte. Arden, denn um niemand anderen handelte es sich, war in fast allen Belangen das genaue Gegenteil seines Bruders. Doch zumindest äußerlich gab es auch einige Ähnlichkeiten zwischen den beiden, die jedoch nicht leicht zu entdecken waren. So besaßen ihre Augen, wenngleich auch anders gefärbt, die gleiche Form, und es war derselbe unbeugsame Stolz darin erkennbar.
»Ich habe Maralon gerade über meinen Erfolg auf der heutigen Ratsversammlung berichtet«, erwiderte Arton zurückhaltend. Er erzählte knapp und monoton, was er erreicht hatte.
»Na, dann wird es ja hier bald eine Menge zu tun geben«, stellte Arden wenig enthusiastisch fest. »Aber so ein paar kleine Schwertschwinger dürften schon ganz lustig sein. Wie alt sind die denn?«
»Die jüngsten werden wohl vier sein«, erklärte Arton.
»Vier?«, rief Arden betroffen. »Na, denen darfst du dann aber die Windeln wechseln. Ich halte mich lieber an die, die mir übers Knie reichen.« Arden winkte grinsend ab.
Artons Miene verfinsterte sich. ›Das sieht ihm mal wieder ähnlich‹, dachte er grollend.
»Wir werden sicherlich alle unseren Teil beitragen müssen«, schaltete sich Maralon ein. Er lächelte. »Ich halte es für wichtig, dass so früh wie möglich mit der Ausbildung eines Kriegers begonnen wird. Bestimmte Reflexe und Bewegungen erlernt man viel leichter in der Kindheit und vergisst sie danach nie mehr. Und auch der Geist und Charakter eines Kämpfers erfordert Formung. Die Kinder sollen von Anfang an lernen, was Ehre, Verantwortung und Gehorsam bedeuten. Aber auch Treue und Freundschaft ist etwas, das sie in unserer Schule während ihrer jahrelangen Ausbildung erfahren werden. Ein Ecorimkämpfer wird einen anderen niemals im Stich lassen, sich niemals abwenden, wenn einer seiner Kameraden in Not gerät. Das ist etwas, das man auf den Straßen Seewaiths nicht finden wird.« Maralons Augen leuchteten, als er so über die Schule sprach.
»Na, und so ein Schwert macht auch mächtig Eindruck auf die Frauen, vor allem wenn man versteht, damit umzugehen«, flachste Arden, dem der Ernst, mit dem sein Vater gesprochen hatte, offensichtlich völlig entgangen war.
Maralon lächelte nachsichtig, während Arton seinen Halbbruder mit kühler Verachtung musterte. Er fragte sich, ob es rein gar nichts gab, was Arden wirklich etwas bedeutete. Die Schule und der mit ihr verbundene Ehrenkodex waren ihm anscheinend völlig gleichgültig, zumindest deutete seine reichlich unpassende Bemerkung von eben daraufhin. Auch den anderen Tugenden wie Treue und Verantwortung, die für Maralon ganz offensichtlich großes Gewicht hatten, räumte Arden kaum einen Platz in seinem Leben ein. Wenn sein Halbbruder aber all diese Eigenschaften vermissen ließ, die Maralon als erstrebenswert ansah, warum, bei allen Göttern, bevorzugte der alte Erenor dann diesen ehrlosen Tunichtgut bei jeder Gelegenheit? Arton liebte Maralons Kriegerschule beinahe mehr als dieser selbst, er hatte stets versucht, die von seinem Lehrmeister gepredigten Werte Ehre, Pflichtgefühl, Verantwortung und Treue zu verinnerlichen, und doch war schon in ihrer Kindheit immer er es gewesen, den Maralon getadelt hatte. War er bei einem Kampf in Wut geraten und hatte dadurch seine Deckung vernachlässigt, hatte er zur Strafe drei Runden durch den Park laufen müssen – bei jedem Wetter. Hatte er einen Schlag zu spät abgebremst und einen unaufmerksamen Gegner versehentlich getroffen, durfte er nach dem Unterricht die Übungsräume ausfegen. Bei Arden wurden Fehler, wenn überhaupt, nur mit einer freundlichen Ermahnung quittiert – auch heute noch.
Vielleicht lag es an Ardens Unbefangenheit, seiner Überzeugung, dass es auf dieser Welt nur Menschen gab, die sein Bestes wollten. Er musste nie lange warten, bis er Hilfe oder Unterstützung angeboten bekam, sein sonniges Gemüt und die Selbstverständlichkeit, mit der er Gefallen von anderen erwartete, zwangen seine Mitmenschen sozusagen dazu, ihm eine Gunst zu erweisen. Arden bekam alles geschenkt, Arton musste für alles kämpfen. Aber ständiger Kampf stählt einen Menschen, niemand wusste das besser als Arton. Dies würde auch sein Halbbruder zu spüren
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