Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
den Dingen auf den Grund gehen. Deshalb suche ich meine Erklärungen lieber dort, wo die meisten Geheimnisse ruhen: im menschlichen Geist. Ein scharfer Verstand, der sich keinem Wissensgebiet verschließt, kann unter Umständen mehr vollbringen als ein ganzes Heer. Gleichwohl ist der Verstand gefangen in dem engen Gefäß, das wir Körper nennen. Es scheint aber, als könnten die beiden Schwerter diese Grenzen unseres Geistes aufheben oder zumindest verwischen. Als Ecorim das Schwert Cor in Besitz nahm, war es, als würde er seinen Siegeswillen direkt in die Köpfe seiner Truppen pflanzen. Ich denke, das ist die wahre Macht dieser Schwerter. Sie ermöglichen es dem Verstand, dem Gefängnis des Körpers zu entfliehen. Genau verstehe ich es jedoch selbst nicht.«
»Wobei du, mein Freund, sicherlich mehr verstehst als die übrigen Maulhelden!« Der König lächelte seinen Berater wohlwollend an.
Abak zupfte sich verlegen am Bart. »Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte, mein König. Doch bin ich eines solchen Lobes nicht würdig, ehe ich nicht die Herkunft der Schwerter ergründen konnte. Ich denke, dieses Wissen wird ein erhebliches Maß an Erklärungen mit sich bringen. Allerdings nicht notwendigerweise erfreuliche, fürchte ich. Als gesichert kann jedoch bereits jetzt gelten, dass es sowohl bei Ecorims Klinge als auch bei dem schwarzen Schwert ganz entscheidend auf den Träger ankommt. In Ecorim hatten wir einen Feldherrn, der die Macht des Schwertes zur Verteidigung seines Landes einsetzte, und nicht für eigennützige Zwecke. Dabei zeigte er eine außergewöhnliche Begabung, die Kraft der Klinge zu nutzen, die offensichtlich nicht jedem gegeben ist. Noran Karwander konnte nichts Vergleichbares vollbringen, obwohl er dieselbe Waffe in Händen hielt. Gleichzeitig war Ecorim stark genug, sich nicht von der Macht des Schwertes überwältigen zu lassen. Der Herrscher von Skardoskoin, Hador Badach, jedoch …«
»Wie kannst du es wagen«, fuhr der König auf, »in diesem Thronsaal den verhassten Namen auszusprechen. Willst du Unglück über uns bringen?«
Abak zeigte spöttisch seine gelben Zähne. »Verzeiht, mein König! Doch dies ist genau die Art von Magie, die nicht im Geringsten übernatürlich ist, sondern auf Furcht und Aberglaube beruht.«
König Jorig sog zischend die Luft ein und hielt dann kurz den Atem an. Er versuchte, sich zu beherrschen. Nachdem er ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, entgegnete er in einem Ton, der Abak nicht im Zweifel über die Endgültigkeit seiner Worte ließ: »Nenne diesen Namen nie wieder in meiner Gegenwart oder in Anwesenheit meiner Familie!«
»Sehr wohl, mein Gebieter. Also, der Herr von Arch Themur – zu diesem Schluss bin ich gelangt – konnte im Gegensatz zu Ecorim sein Schwert nicht beherrschen, sondern das Schwert beherrschte ihn. Ich bin überzeugt, es lag durchaus nicht in seiner Absicht, die gesamte bekannte Welt mit Krieg zu überziehen und König Noran bei lebendigem Leib zu verbrennen. Möglicherweise war er schon vorher von Ehrgeiz und Hass zerfressen, doch die Wildheit des Schwertes nahm ihm jeden verbliebenen Skrupel. Ich denke, die Macht, die in den beiden Klingen steckt, ist im Grunde dieselbe, entscheidend ist jedoch die Stärke und die Gesinnung des Trägers. Glücklicherweise scheint aber die Begabung für diese machtvollen Waffen nicht sehr weit verbreitet zu sein. Dennoch, sobald jemand über genügend geistige Kraft verfügt, um die Macht der Schwerter zu wecken, ist er für uns eine Bedrohung. Bei einem zweiten Ecorim wäre auf jeden Fall Euer Thron in Gefahr, ein weiterer Herrscher von Arch Themur wäre eine Katastrophe für jeden, der unter diesem Himmel lebt.«
»Du meinst also, es könnte jemand das Schwert dazu benutzen, um Ansprüche auf den Thron anzumelden? Aber wie soll er dies rechtfertigen? Ein direkter Nachfahre von Ecorim Erenor existiert nicht. Und die anderen Erenor tragen kein königliches Blut in sich.«
»Das ist schon wahr. Auf Maralons Söhne trifft dies zu. Maralons Bruder, Taron Erenor, der Vater von Ecorim, war indes mit der Schwester des citheonischen Königs, Narwenna Karwander, verheiratet. Die Schwester von König Noran Karwander, der in Arch Themur begraben liegt, ist also die Mutter unseres Ecorim Erenors. Dies würde genügen, um einen Anspruch auf den Thron zu rechtfertigen, falls ein Sohn Ecorims existiert. Das Volk von Citheon, so ist bedauerlicherweise zu bemerken, hängt sehr am alten Königshaus und
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