Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
dem gerade heraustretenden Megas zusammen, murmelte eine Entschuldigung und verschwand in der Schule.
Megas warf dem vorbeieilenden Estol einen geringschätzigen Blick nach, wie jemand, den ein herumtollendes Kind bei der Arbeit stört. Als er seinen Weg fortsetzte, zeugten seine verengten Augenbrauen und die in Falten gelegte Stirn von einer starken Anspannung. Er trug ein fein gearbeitetes Kettenhemd, dazu einfache lederne Beinkleider und die üblichen Kampfstiefel. Sein Schwert baumelte in einer matt silbernen Scheide im Takt der gemessenen Schritte. In seinen halblangen Haaren wühlte der eisige Nachtwind, doch Megas war zu sehr auf andere Dinge konzentriert, um die Kälte wahrzunehmen. Arton und Maralon waren noch immer mit einigen Vorbereitungen beschäftigt. Sie sprachen nicht viel miteinander seit jenem Vorfall am Bajulatag. Der alte Erenor bemerkte Megas als Erster.
»Megas«, begrüßte er ihn, »es ist alles bereit, die Prüfung kann beginnen. Ich hoffe, du bist gut vorbereitet.«
»Natürlich, Meister«, und in Gedanken fügte Megas hinzu, ›aber nicht auf diese lächerliche Prüfung.‹ Er sah sich fragend um. »Wo ist Arden? Ohne ihn kann die Prüfung nicht stattfinden.«
»Sowohl Arden als auch Tarana wollten bei der Prüfung zugegen sein«, meinte Arton, »doch mein Bruder ist wohl noch irgendwo im Haus, und Tarana wollte zum Tor gehen, um nach Derbil zu sehen. Ich werde beide holen.«
»Seht Ihr nach Arden«, beeilte sich Megas zu sagen, »ich gehe ans Tor und werde Tarana holen.« Er wirkte plötzlich seltsam nervös.
»Wenn du es so willst, Megas.« Arton zuckte mit den Schultern und ging zum Eingang der Schule hinüber.
Megas dagegen machte sich mit raschen Schritten zum Tor auf, weil er den Eindruck erwecken wollte, er sei sehr um einen baldigen Beginn seiner Prüfung bemüht. Als ihn der Schatten einer hohen Buschreihe den Blicken eventueller Beobachter entzog, verlangsamte er seine Schritte, um noch einmal über sein Vorgehen nachdenken zu können. Es war nie seine Absicht gewesen, die Klingenprüfung wirklich abzulegen. Sie war selbstverständlich nur ein Vorwand, um alle Erenors während der Prozession in der Schule festzuhalten. Jeder weitere Anwesende würde unbeabsichtigt den misslichen Umständen zum Opfer fallen, doch das war eben Schicksal, dachte Megas kalt. Seine wichtigste Aufgabe war nun, sich um die Posten am Tor zu kümmern. Je mehr Personen sich dort aufhielten, desto schwieriger würde sich dieser essenzielle Teil des Plans durchführen lassen. Deshalb musste er entweder dafür sorgen, dass Tarana von dort verschwand, oder er würde die Zeit, in der Estol nicht auf seinem Posten war und nur die beiden Istanoit den Eingang bewachten, zu nutzen wissen.
Megas erreichte schließlich das große Tor, von wo er die fröhliche Unterhaltung der zwei Nomadentöchter vernahm. Tarana war inzwischen zu ihrer Freundin auf den Wehrgang geklettert.
»Estol liebt es, sich selbst zu bemitleiden!«, stellte Derbil gerade verächtlich fest. »Man merkt einfach, dass er der Jüngste seiner Familie ist. Die Jüngsten werden immer zu sehr verwöhnt.«
»Heh, ich bin auch die Jüngste in meiner Familie«, protestierte Tarana.
»Na, sag ich doch!«, meinte Derbil bestätigend.
Während die beiden Frauen in Gelächter ausbrachen, erklomm Megas die schmale Treppe neben dem Tor, die zum Wehrgang hinaufführte. Er stand bereits direkt hinter Derbil, als diese ihn endlich bemerkte.
»Hoppla«, erschrak sie, »wer schleicht denn hier herum? Estol?«
»Nein, Estol ist noch im Haus«, antwortete Megas vollkommen ruhig, »ich bin es, Megas. Ich wollte Tarana benachrichtigen, dass die Klingenprüfung jetzt beginnen kann. Wir warten nur noch auf sie.«
»Oh, das ist aber zuvorkommend«, sagte Tarana erstaunt. »Jedoch habe ich die Wache für Estol übernommen und werde mir die Prüfung von hier oben anschauen. Man sieht zwar nicht alles, aber Estol wollte so gerne zur Prozession gehen, dass ich ihm diesen Dienst nicht verwehren konnte.«
»So.« Megas sprach gedehnt, um Zeit zum Überlegen zu gewinnen. »Estol will also zum Hafen.« Das musste er um jeden Preis verhindern, denn irgendwo da draußen lauerten schon die »Schatten«, eine erlesene Gruppe von Assassinen, für deren Dienste sein Auftraggeber sicherlich tief in die Tasche greifen musste. Er durfte nicht riskieren, dass jemand zufällig auf sie stieß und Alarm gab. »Nun gut, ich hoffe ihr beide könnt meinen Kampf von hier aus
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