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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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betrachtet. Sie sieht, wie sie jeden Quadratzentimeter seines kleinen Gesichts in sich aufnimmt. Wenn sie jetzt nichts unternimmt, wird ihre Mutter verstehen. Sie wird erkennen, wie sehr der Kleine Christopher ähnelt, und dann wird für Joshua alles vorbei sein. Er wird seine sichere, glückliche Familie verlieren. Reanne wird einen Weg finden, sich in sein Leben zu drängeln, selbst wenn sie keinen legalen Anspruch auf ihn hat. Und dann wird sie ihm das Leben zur Hölle machen, so wie sie es schon bei Charm und ihrem Bruder getan hat. „Du musst jetzt gehen“, versucht Charm, ihre Mutter abzuwimmeln. „Ich kann im Moment nicht mit dir reden.“
    „Ich gehe nicht, bevor ich ein paar Antworten bekommen habe“, erwidert Reanne trotzig.
    „Das ist doch aber das, was du am besten kannst, Mutter – gehen“, merkt Charm sarkastisch an. „Du benutzt Menschen, nimmst dir, was du willst, und dann gehst du. Du hast kein Recht, hierherzukommen und zu verlangen, dass ich dir irgendetwas erzähle. Das Recht hast du vor langer Zeit verloren, und zwar jedes Mal, wenn du mir einen neuen Mann vorgezogen hast!“
    Nun verliert Reanne komplett die Kontrolle über sich und gibt ihrer Tochter eine schallende Ohrfeige.

CLAIRE
    „Warum sind die so böse?“, fragt Joshua und zieht am Ärmel seiner Mutter. Vom Fenster aus kann Claire die Angst erkennen, die Charm ins Gesicht geschrieben steht, und dass die Frau die Hand hebt, um zuzuschlagen. Joshua schreit auf und zuckt zusammen, als Charm geohrfeigt wird. Claire eilt zur Tür, und Joshua ruft ihr hinterher: „Mom?“ Seine Stimme zittert. „Wo gehst du hin?“
    „Ich bin gleich wieder zurück“, versichert Claire ihm und tritt auf den Bürgersteig. „Bleib schön bei Brynn.“
    „Was ist hier los?“, will Claire wissen und schaut von Charm zu den Fremden zu Allison, die genauso verwirrt aussieht, wie Claire sich fühlt. „Charm, geht es dir gut?“ Claire untersucht Charms Gesicht, wo ein roter Handabdruck sich scharf von ihrer blassen Haut abhebt.
    „Mit ihr ist alles in Ordnung“, blafft die Frau.
    „Meine Güte, Reanne“, tadelt sie der Mann leise. „Was sollte das denn?“
    „Mom“, sagt Charm ungläubig. Sie berührt ihre Wange und fängt an, noch heftiger zu weinen.
    Mom. Das ist also Charms Mutter, denkt Claire. Kein Wunder, dass Charm ein kleines Vermögen in Selbsthilfebücher investiert hat. Charm und ihre Mutter haben die gleichen dunklen Augen, die gleichen vollen Lippen. Claire kann sich vorstellen, dass die abgeklärte, toughe Frau, die vor ihr steht, einmal sehr hübsch gewesen ist. Sie schaut sie sich genau an, sieht die zu enge Kleidung, die Falten um ihren Mund. Dann bleibt Claires Blick an dem Foto hängen, das Reanne noch immer in der Hand hält. Irgendetwas daran kommt ihr seltsam vertraut vor.
    Sie streckt die Hand aus und packt Reannes Handgelenk. „Hey“, stößt Reanne verärgert hervor und versucht, ihre Hand wegzuziehen, aber Claire reißt ihr das Bild aus den Fingern. Sorgfältig betrachtet sie es. Es zeigt eine erschöpft aussehende, einige Jahre jüngere Charm, die ein Neugeborenes hält. Das Baby trägteine blaue Mütze, die seine Ohren bedeckt. Es hat eine kleine Stupsnase, dünne Lippen und ein spitzes Kinn. Seine Augen sind groß und hellwach, es hat die Stirn gerunzelt. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Claire hat ein beinahe identisches Foto von Joshua. Aber da ist sie die Erschöpfte, die das Baby hält. Jonathan hat das Bild gemacht, nachdem sie ihren Sohn aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatten.
    „Oh mein Gott“, flüstert sie ungläubig und sieht Charm an. „Oh mein Gott.“
    Claire hatte immer Angst, dass sie sich eines Tages Joshuas biologischer Mutter gegenübersehen würde, aber trotzdem ist sie nicht darauf vorbereitet. „Charm?“ Sie kann die Worte kaum aussprechen. „Bist du Joshuas Mutter?“

ALLISON
    Fassungslos beobachte ich Charms Mutter und frage mich, ob ich immer noch Zeit habe, von hier zu verschwinden.
    „Charm?“, sagt Claire erneut, und auf ihrem Gesicht zeichnet sich Schmerz ab. „Bist du Joshuas Mutter?“
    Charm öffnet den Mund, um zu sprechen, doch dann hebt sie ihr Gesicht wie zum Gebet gen Himmel.
    Reanne packt Charms Handgelenk, und Charm versucht vergebens, sich loszureißen. „Du kleine Hure!“ Reanne zerrt wütend an Charms Arm.
    Erneut versucht Charm zu sprechen, doch es gelingt ihr noch immer nicht. Ich ertrage das nicht länger.
    „Ich bin das“, stammle

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