Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
Vom Netzwerk:
Wissen fand, dass sie Joshua jeden Tag sagte, wie sehr sie ihn liebte. Sie sagte sich, dass Joshua, auch wenn sie mal einen Fehler machte, niemals an ihrer Liebe zu ihm zweifeln würde.
    Claire findet Joshua im Wohnzimmer, wo er auf dem Fußboden liegt und Truman einen Tennisball zurollt, den der jedoch nur mit müdem Blick an sich vorbeigleiten lässt. „Hol ihn, Truman!“, drängt Joshua. „Los, hol den Ball.“ Doch Trumanwuchtet sich nur auf seine O-Beine und verlässt das Zimmer. „Truman!“, ruft Joshua ihm enttäuscht hinterher.
    „Er kommt wieder zurück.“ Claire bückt sich, hebt den Ball auf und bringt ihn zu ihrem Sohn. „Mach dir keine Sorgen.“
    „Im Fernsehen gibt es eine Bulldogge namens Tyson, die Skateboard fahren kann“, erklärt Joshua und zupft an dem ausgefransten Saum seiner Shorts. „Truman holt nicht mal einen Ball.“
    „Truman macht dafür andere coole Sachen“, erwidert Claire und sucht krampfhaft nach einem Beispiel.
    „Was denn?“, will Joshua prompt wissen.
    „Er kann ein ganzes Brot in weniger als drei Sekunden verspeisen“, sagt sie, doch Joshua sieht nicht sonderlich beeindruckt aus. Claire seufzt und setzt sich neben ihren Sohn auf den Boden. „Du weißt, dass Truman ein Held ist, oder?“ Skeptisch schaut Joshua sie an. „Als du zu uns gekommen bist, warst du noch sehr klein.“
    „Ich weiß“, sagt Joshua weise. „Sechs Pfund schwer.“
    „Eines Abends, nachdem du ungefähr eine Woche bei uns warst, schliefst du in deinem Bettchen. Dad und ich waren so müde, dass wir auf der Couch eingenickt sind, obwohl es erst halb acht war.“
    Darüber muss Joshua lachen. „Ihr seid um halb acht schlafen gegangen?“
    „Ja, so erschöpft waren wir.“ Sie greift nach seiner Hand, die, ohne dass sie es bemerkt hat, nicht mehr so pummelig wie früher ist. Die Finger ihres Sohnes waren mittlerweile lang und feingliedrig, und einen Moment lang überlegte sie, von wem er sie hatte. Von seiner biologischen Mutter oder seinem biologischen Vater? „Als du ein Baby warst, hast du nicht viel geschlafen. Daher haben wir uns auch immer gleich hingelegt, wenn du mal die Augen zugemacht hast. Da lagen wir also selig schlafend auf der Couch, und plötzlich hörten wir Truman bellen. Dein Dad dachte, er müsse mal raus, aber Truman wollte nicht. Dad hat ihn durchs ganze Haus gejagt, aber er ist einfach nur weitergerannt und hat dabei laut gejault. Es war eigentlich ganz lustiganzuschauen.“ Beide lächelten bei der Vorstellung, wie ein verschlafener Jonathan hinter Truman herstolperte. „Irgendwann ist Truman dann die Treppe hinaufgelaufen und hat bellend oben gewartet, bis wir nachkamen. Sobald wir oben waren, ist er sofort in dein Zimmer gerannt. Wir haben immer geflüstert: ‚Pst, Truman, du weckst Joshua noch auf‘, doch er hat immer weitergebellt. Und plötzlich wussten Dad und ich, dass etwas nicht stimmte. Überhaupt nicht stimmte. Bei all dem Gebell hättest du eigentlich aufwachen und schreien müssen.“
    Joshua runzelt die Stirn, als er darüber nachdenkt. „Ich bin nicht aufgewacht?“
    „Nein, bist du nicht.“ Claire zittert bei der Erinnerung und zieht ihren Sohn auf den Schoß.
    „Warum nicht?“, will Joshua wissen. Er streift ihr den Ehering vom Finger und steckt ihn sich auf den Daumen, wo er ihn hin und her dreht, sodass der Diamant einen funkelnden Regenbogen an die Wand wirft.
    „Dad hat das Licht in deinem Zimmer angemacht, und du lagst in deinem Bettchen und sahst aus, als würdest du schlafen, doch das tatest du nicht. Du hast nicht mehr geatmet.“ Aus großen Augen schaut Joshua sie an. „Dad hat dich so schnell aus dem Bett gerissen, dass du vor Schreck wieder zu atmen begonnen hast. Dann hast du sofort angefangen zu weinen.“
    „Wow“, sagt Joshua erleichtert und lässt den Ring wieder rotieren.
    „‚Wow‘ ist richtig“, erwidert Claire mitfühlend. „Truman hat dich an dem Tag gerettet. Vielleicht weiß er nicht, wie man Skateboard fährt, aber er ist trotzdem etwas ganz Besonderes.“
    „Ich schätze, das stimmt“, murmelt Joshua. „Ich geh schnell und sag ihm, dass es mir leidtut.“ Er steckt den Ring zurück an den Finger seiner Mutter, springt von ihrem Schoß und läuft los, um Truman zu suchen. Was sie Joshua nicht erzählt, ist, wie in den wenigen Sekunden, die zwischen dem Anblick ihres leblosen Sohnes und dem Erklingen seines wütenden Schreis vergangen sind, ihr eigener Atem stehen geblieben ist. Wie kann ichihn jetzt

Weitere Kostenlose Bücher