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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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gefahren. Nachdem sie im Haus waren, überprüfte Joshua, ob auch alle Türen abgeschlossen waren.
    Ein kleiner Junge sollte sich keine Sorgen darüber machen, ob die Türen verriegelt sind, denkt Claire, als sie vor einem Klassenzimmer haltmachen. Ein Kind sollte sich nicht darum sorgen, dass seine Mutter in Sicherheit ist.
    „Du musst Joshua sein“, sagt eine Frau, die an die Tür kommt, laut, aber freundlich. Claire spürt, wie Joshua neben ihr zusammenzuckt. „Ich bin Mrs Lovelace.“ Sie streckt Joshua die Handhin, vor der er jedoch zurückscheut, sodass Jonathan sie für ihn ergreift.
    „Schön, Sie kennenzulernen“, sagen Jonathan und Claire. Mrs Lovelace scheint Mitte fünfzig zu sein, was Claire zu der Vermutung veranlasst, dass sie eine erfahrene Lehrerin ist. Sie hat kurze, drahtige graue Haare und scharfe blaue Augen, denen wenig zu entgehen scheint. Claire sucht in Mrs Lovelaces Gesicht nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass sie ein Herz für schüchterne, verängstigte Kinder wie Joshua hat, die ein wenig mehr Hilfe brauchen, um sich in der völlig neuen Welt der Vorschule zurechtzufinden.
    „Joshua ist wegen des Schulanfangs ein wenig nervös“, erklärt Claire und legt ihrem Sohn eine Hand auf die Schulter.
    „Zusammen kriegen wir das schon hin, nicht wahr, Joshua?“ Mrs Lovelace beugt sich zu ihm hinunter, und Joshua versteckt sich hinter Claire und drückt sein Gesicht in ihren unteren Rücken.
    „Joshua.“ Claire versucht, sanft und geduldig zu klingen. „Mrs Lovelace spricht mit dir.“ Er löst sich von ihr und schlendert langsam in die Klasse und auf einen Stapel Pappblocks zu, die aussehen wie Backsteine.
    „Geh nur und bau etwas daraus“, ermuntert Mrs Lovelace ihn. „Ich spreche noch einen Augenblick mit deiner Mom und deinem Dad.“ Joshua sieht zögerlich aus, aber nach einem ermutigenden Nicken von Mrs Lovelace fängt er an, die Steine im Kreis nebeneinanderzulegen, sie aufeinanderzustapeln und so eine rostrote Mauer um sich herum zu errichten.
    „Oh Joshua, hast du ein Babyfoto von dir mitgebracht, das wir an die Pinnwand hängen können?“, ruft Mrs Lovelace zu ihm hinüber.
    Joshua ist so damit beschäftigt, seine Mauer zu bauen, dass er Mrs Lovelace nicht zu hören scheint. Claire kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum. „Hier, bitte schön“, sagt sie und reicht der Lehrerin eine Kopie des ersten Fotos, das sie gemacht hat, nachdem sie Joshua aus dem Krankenhaus mit nach Hause genommenhaben. Darauf hält Jonathan breit grinsend seinen kleinen Sohn, dessen aufgerissene Augen verraten, dass er kurz davor ist, loszubrüllen. Seine Unterlippe hat er zu einer ganz bezaubernden Schippe verzogen.
    „Oh, was für ein schönes Foto, Joshua“, ruft Mrs Lovelace und geht zu Joshuas Mauer hinüber. „Wem siehst du ähnlich? Deiner Mutter oder deinem Vater?“
    „Ich bin budoptiert“, sagt Joshua und linst hinter den Pappsteinen hervor.
    Mrs Lovelace nimmt den Faden sofort auf. „Und deine Mom und dein Dad haben dich ausgesucht! Was für ein Glück sie hatten!“ Sie tritt näher an die Kartonburg heran und fragt freundlich: „Darf ich dir Gesellschaft leisten, Joshua?“
    Joshua überlegt einen Moment lang. „Nein, danke“, erwidert er dann höflich und legt einen weiteren Stein auf seine Mauer, womit er das Gesicht der Lehrerin vollkommen aus seinem Sichtfeld verbannt.
    Mrs Lovelace versucht es noch einmal. „Ich sehe, dass du gern Sachen baust, Joshua. Ich würde dir wirklich gern helfen.“ Sie nimmt den obersten Stein weg, damit sie sein Gesicht wieder sehen kann.
    Joshua erschrickt sich und stößt aus Versehen einige Steine um, was dazu führt, dass das ganze Gebilde um ihn herum zusammenstürzt. „Oh nein!“ Er stöhnt verzweifelt auf, als er den Steinhaufen zu seinen Füßen sieht.
    „Ach Joshua“, versucht Mrs Lovelace ihn zu beruhigen. „Das ist schon okay. Wir können es wieder aufbauen. Siehst du?“ Sie fängt an, die Steine wieder aufeinanderzulegen. Joshua schnieft ein wenig, macht dann aber mit, die Mauer neu aufzubauen. Innerhalb weniger Minuten ist er wieder sicher hinter den Pappsteinen versteckt.
    Mrs Lovelace führt Jonathan und Claire zu einem Tisch, der von außergewöhnlich kleinen Stühlen umgeben ist, und bittet sie, Platz zu nehmen. „Erzählen Sie mir von Joshua“, sagt sie.
    „Joshua ist ein sehr süßer, fürsorglicher kleiner Junge, aber erkann manchmal sehr ängstlich sein. Vor allem wenn er gebeten wird, etwas Neues

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