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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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Vertrauenslehrerin an der Highschool mich beiseitenahm und mir sagte, dass ich den Platz an der Spitze des Schülerrankings verliere und Gefahr laufe, meine Stipendien zu riskieren, wenn ich nicht anfange, mich wieder zusammenzureißen, kehrte ich allmählich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
    „Gibt es zu Hause irgendwelche Probleme?“, fragte sie. Ich versicherte ihr, dass alles wie immer sei. „Dann ist es also ein Junge?“
    Sie hob die Augenbrauen, als ich mich weigerte zu antworten. „Kein Junge ist das wert“, erklärte sie ernst. „Willst du wirklich alles, wofür du so hart gearbeitet hast, für einen Jungen wegwerfen? Willst du wirklich den Rest deines Lebens in Linden Falls bleiben?“
    Das wollte ich nicht.
    „Coach Herrick macht sich auch Sorgen um dich. Sag dem Jungen, dass du dich wieder auf die Schule und den Sport konzentrieren musst. Sag ihm, was immer du willst, aber setz endlich wieder die richtigen Prioritäten. Du hast in den nächsten zwei Jahren eine Menge vor dir, Allison. Triff die richtige Entscheidung, und wirf deine Chancen nicht einfach so weg.“
    An dem Abend, an dem ich mit Christopher Schluss machte, erzählte ich meinen Eltern, dass ich bei meiner Freundin Shauna zum Lernen wäre. Christopher fuhr mit mir raus aufs Land, und wir saßen nebeneinander und schauten durch die Windschutzscheibe in den Sternenhimmel.
    „Du bist heute sehr ruhig“, bemerkte Christopher und spielte mit dem Armband an meinem Handgelenk.
    Ich atmete tief durch. „Meine Eltern schöpfen langsam Verdacht. Wenn sie das mit uns rauskriegen, werden sie auf keinen Fall zulassen, dass wir uns weiter sehen. Sie werden sagen, dass du viel zu alt für mich bist.“ Durch die Schatten hindurch sah ich ihn an, um seine Reaktion abzuschätzen. Schweigend saß er da. Er löste die Finger von meiner Hand, und ich fuhr fort: „Meine Noten verschlechtern sich. Meine Vertrauenslehrerin meint, dass ich meine Stipendien verlieren könnte, wenn ich nicht …“
    „Was willst du mir sagen, Allison?“, fragte er. Seine Stimme war eiskalt.
    „Ich denke, wir sollten …“ Ich hielt inne. In fast allem, was ich je getan hatte, war ich gut, aber das hier war schwer. „Ich denke, wir sollten es ein wenig langsamer angehen. Uns weniger oft sehen.“
    „Ist es das, was du willst?“ Er saß da, die Hände auf dem Lenkrad, die Schultern zusammengesackt, den Kopf gesenkt.
    „Es tut mir leid“, sagte ich. Tränen brannten mir in den Augen.
    „Steig aus“, flüsterte Christopher.
    „Was?“ Ich dachte, ich hätte ihn nicht richtig verstanden.
    „Steig aus dem Wagen“, wiederholte er nun etwas bestimmter.
    „Was? Du willst mich hier einfach stehen lassen?“ Ich lachte nervös.
    Er griff über mich hinweg nach dem Türgriff und drückte die Beifahrertür auf. „Steig aus“, befahl er.
    „Christopher …“
    „Raus!“ Er schubste mich – nicht stark, aber trotzdem stolperte ich aus dem Auto in die kalte Novembernacht. Im selben Moment zog er energisch die Tür zu und fuhr davon.
    Ich weinte eine Woche lang und musste mich zwingen, Christopher nicht anzurufen. Meine Noten hatten sich schnell wieder verbessert. Ich lernte härter, trainierte öfter, wurde immer entschlossener, die Schule als Klassenbeste abzuschließen. Meine Lehrer hörten auf, sich Sorgen um mich zu machen. Meine Eltern hörten auf, sich Sorgen um mich zu machen. Alles würde gut werden.
    Irgendwann hatte ich Schwierigkeiten, mich daran zu erinnern, wie Christopher überhaupt ausgesehen hatte. Ich konnte mich nur noch an winzige Details erinnern. Seine braunen Augen, die leicht nach oben gebogene Nase, seine langen, dünnen Finger. Die Art, wie sein Fuß nervös wackelte, immer in Bewegung. Ich schaffte es nicht, ihn komplett vor meinem geistigen Auge zu sehen, und manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt real gewesen war, ob das mit uns jemals passiert war.
    Ich hätte wissen müssen, dass ich schwanger war. Und wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, ist mir der Gedanke in den Monaten vor der Geburt auch ein paar Mal durch den Kopf geschossen. Aber ich wollte nicht schwanger sein, also war es für mich das Beste – das Einzige sogar –, es zu ignorieren. Ansonsten wäre ich ja eines von diesen Mädchen gewesen, eines dieser naiven, dummen Mädchen, die sich gründlich das Leben versauen. Ich hätte mich einfach umbringen sollen, und ich hätte es auch getan, hätte ich damit nicht mein Schicksal besiegelt, eine von ihnen zu werden –

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