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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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leer, so still. In den Tagen, die auf Allisons Verhaftung folgten, habe ich den Fehler begangen und bin in ihr Zimmer gegangen, wo ich mich auf ihr Bett gelegt und in ihre Decke eingewickelt habe. Ich habe mir ihr Kissen gegen das Gesicht gedrückt, um ihren Duft einzuatmen. Allisons Pokale und Urkunden fingen bereits an, Staub anzusetzen.
    Mein Vater fand mich, wie ich in Allisons Zimmer auf dem Bett saß und mit meinen Fingerspitzen über die an der Wand hängenden blauen Siegerschleifen strich. Einen Moment lang dachte ich, er würde hereinkommen und sich zu mir setzen. Wie sehr ich wollte, dass er mich an sich zog und mir sagte, alles würde wieder gut werden. Ich wollte, dass er meine Hand in seiner hält und mich über die Nacht befragt, in der Allison das Kind zur Welt gebracht hat. Ich wollte ihm sagen, dass ich da war, dass ich ihr die Stirn abgetupft und sie ermutigt habe zu pressen, dass ich das kleine Mädchen in den Armen gehalten habe. Aber auf Allisons Anweisung hin hatte ich meinen Eltern und der Polizei erzählt, dass ich in meinem Zimmer gewesen und Musik auf dem iPod gehört und so von alldem nichts mitbekommen hatte. Ich wollte mit meinem Vater über diese Dinge sprechen, aber er stand einfach nur im Türrahmen und schaute mich an. Enttäuschung spiegelte sich in seinem Gesicht wider. In dem Moment wusste ich,dass ich niemals die Person sein würde, die meine Eltern gerne hätten. Als ich am nächsten Tag versuchte, in Allisons Zimmer zu kommen, fand ich die Tür verschlossen vor. Meine Eltern haben mich nicht einmal als wertvoll genug erachtet, um zwischen Allisons Sachen zu sitzen.
    Mein Vater und meine Mutter wanderten wie in Trance durch das Haus. Meine Mutter weinte die ganze Zeit. Mein Vater machte Überstunden und kam manchmal erst spät in der Nacht nach Hause. Die Abendessen waren ein stummer Albtraum. Ohne Allison gab es nichts, worüber wir reden konnten. Keine Gespräche über Volleyballspiele oder Collegepläne. Die wenigen Freunde, die ich hatte, riefen selten an. Ich machte ihnen keinen Vorwurf daraus. Was sollten sie auch sagen? Meine Freundin Jessie versuchte es. Sie rief an und kam vorbei, gab vor, fröhlich zu sein, wollte mich zu Footballspielen und ins Kino mitnehmen, aber ich fühlte mich verloren und betäubt. Ich war gerade erst auf die Linden Falls Highschool gewechselt. Allison wäre dort schon ein alter Hase gewesen. Ich lernte, die Blicke und das Geflüster zu ignorieren, wenn ich über die Flure ging.
    Erst als der erste Zwischenbericht der Schule nach Hause geschickt wurde, stachelte das meine Eltern an, etwas zu unternehmen. Meine Versetzung war gefährdet, und in Sport sollte ich durchfallen. Kurz nachdem der Brief in unserem Briefkasten gelandet war, stand ich auch schon mit meinen Eltern im Büro der Rektorin. Mrs Buckley war eine verrückte, energische Frau, die durch die Gänge ihrer Highschool schlich und sicherstellte, dass die Schüler sich so benahmen, wie es von ihnen verlangt wurde. Sie war mit ihrem Job verheiratet, blieb immer bis spät in die Nacht in der Schule und kam früh am nächsten Morgen wieder. Sie war streng, konnte sarkastisch und schroff sein, aber sie kannte jeden einzelnen ihrer Schüler an der Linden Falls Highschool.
    „Warum hat uns niemand vorgewarnt, dass Brynns Noten so schlecht geworden sind?“, wollte meine Mutter wütend wissen. „Das ist absolut inakzeptabel.“
    „Mrs Glenn“, warf Mrs Buckley ruhig ein. „Wir haben Briefe geschrieben und versucht, Sie anzurufen. Aber Sie haben nicht reagiert.“
    Meine Mutter bedachte mich mit einem wütenden Blick. „Ich habe keine Briefe gesehen. Und ich habe auch keine Anrufe erhalten. Du etwa?“, fragte sie meinen Vater, der nur stumm den Kopf schüttelte.
    „Wir machen uns große Sorgen um dich, Brynn“, sprach Mrs Buckley mich zum ersten Mal direkt an. „Wir wissen, dass es für dich und deine Familie eine schwere Zeit war, und wir wollen dir helfen.“ Ich sackte immer mehr in mich zusammen und sagte nichts. „Wenn du mit jemandem sprechen willst, können wir das sicher arrangieren.“
    „Sie muss mit niemandem sprechen“, gab meine Mutter ungeduldig zurück. „Sie muss sich zusammenreißen und anfangen zu lernen.“
    „Wir werden für Brynn einen Nachhilfelehrer engagieren“, fügte mein Vater hinzu. „Wir reißen das Ruder noch mal herum. Es war eine schwere Zeit, aber es ist nichts, was wir nicht in den Griff kriegen könnten.“
    „Manchmal“, fing Mrs Buckley

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