Vermächtnis
meinem Zelt entlanggehen und schließlich seine Rückseite mit der geschlossenen Fensterklappe passieren. Wer jedoch mit einem solchen Hundehüttenzelt nicht vertraut war, konnte nicht genau wissen, ob sich der Eingang nach dem Öffnen des Reißverschlusses auf der Vorderseite befand oder ob es das geschlossene Fenster auf der Rückseite war. Ich schlief mit dem Kopf zum hinteren Ende und mit den Füßen zum Vordereingang, aber da die Wände meines Zeltes nicht durchsichtig waren, konnte man mich von außen nicht sehen. Die Neuguineer unterhielten unter ihrer Plane ein Lagerfeuer, um sich zu wärmen.
Von dem langen, anstrengenden Tag ermüdet, schliefen wir alle schnell ein. Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauerte, bis ich durch das leise Geräusch von Schritten und einem Vibrieren des Bodens erwachte – jemand ging in der Nähe vorbei. Geräusch und Vibration hörten auf, offensichtlich weil die unbekannte Person nahe am Hinterende meines Zeltes und damit in der Nähe meines Kopfes stand. Ich nahm an, einer meiner 13 Begleiter sei gerade unter der großen Plane hervorgekommen, um Wasser zu lassen. Seltsam schien mir allerdings, dass er nicht diskret am hinteren, von meinem Zelt abgewandten Eingang den Unterstand verlassen hatte, sondern sich in Richtung meines Zeltes bewegt hatte, daran entlanggegangen war und jetzt am Hinterende meines Zeltes in der Nähe meines Kopfes stand. Aber schlaftrunken, wie ich war, maß ich dem Ort, den er sich zum Wasserlassen ausgesucht hatte, keine Bedeutung bei, und döste wieder ein. Kurze Zeit später wurde ich erneut geweckt, dieses Mal von Stimmen, die aus dem Unterstand der Neuguineer kamen. Sie sprachen miteinander, und ihr Feuer, das sie wieder angefacht hatten, leuchtete hell. Das war nicht Ungewöhnliches; Neuguineer wachen nachts in regelmäßigen Abständen auf und unterhalten sich. Ich rief ihnen zu, sie sollten leiser sein, und legte mich wieder schlafen. Das war der gesamte, scheinbar bedeutungslose nächtliche Vorfall, wie ich ihn erlebte.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, öffnete ich die Reißverschlusstür meines Zeltes und sagte meinen Begleitern guten Morgen. Sie saßen wenige Meter entfernt unter ihrer Plane und bereiteten gerade das Frühstück zu. Dann berichteten sie mir, warum sie in der Nacht so laut gesprochen und das Feuer angefacht hatten: Einige von ihnen waren wach geworden, weil ein Fremder an der offenen Vorderseite ihres Unterstandes gestanden hatte. Als der Mann merkte, dass er beobachtet wurde, machte er eine Geste, die im Licht des Feuers gut zu sehen war: Er streckte einen Arm waagerecht aus und ließ die Hand vom Handgelenk an herunter hängen. Bei dieser Bewegung stießen einige Neuguineer ängstliche Rufe aus (auf die Gründe werde ich gleich zu sprechen kommen). Ihr Geschrei hatte ich im Halbschlaf fälschlich für eine nächtliche Unterhaltung gehalten. Auf ihre Rufe hin wurden auch andere Neuguineer wach und setzten sich auf. Daraufhin lief der Fremde in den nächtlichen Regen. Meine Freunde deuteten auf einige Abdrücke von nackten Füßen im feuchten Schlamm: Dort hatte der Mann gestanden. Aber soweit ich mich erinnere, sagten meine Freunde nichts, was mich beunruhigt hätte.
Tatsächlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass jemand hier, in einem unbewohnten Waldgebiet, mitten in der Nacht und im Regen in unser Lager kommen würde. Allerdings hatte ich mich daran gewöhnt, dass in Neuguinea häufig unerwartete Dinge geschehen, und ich hatte nie das Gefühl gehabt, dass von einem Bewohner des Landes für mich persönlich eine Gefahr ausgegangen wäre. Nachdem wir das Frühstück beendet und unsere Zelte zusammengepackt hatten, machten wir uns, nunmehr am dritten Tag, wieder auf den Weg. Die Route führte bergauf aus dem schrecklichen Flussbett hinaus, und wir folgten einem breiten, gerodeten Pfad durch wunderschöne Hochwälder am Flussufer entlang. Mir war, als gingen wir voller Ehrfurcht durch das Innere einer gotischen Kathedrale. Ich schlenderte allein vor meinen neuguineischen Freunden her, weil ich Vögel bestimmen wollte, die noch nicht von ihnen gestört worden waren; außerdem freute ich mich über die Einsamkeit in dem einzigartigen Zauberwald. Erst als ich unterhalb des Dorfes, das unser Ziel war, einen größeren Fluss erreichte, setzte ich mich und wartete, bis meine Freunde nachkamen. Wie sich herausstellte, war ich ihnen ein weites Stück voraus gewesen.
Unser zehntägiger Aufenthalt in dem abgelegenen
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