Vermächtnis
Haut, um zwei Funktionen effizienter ausführen zu können. Beide haben sie mit den Fischen gemeinsam, die ebenfalls Elektrodetektoren besitzen, selbst aber keine Elektrizität produzieren: Aufspüren von Beute und Orientierung. Niedervolt-Fische nutzen die elektrischen Impulse ihrer Artgenossen auch zu einer dritten Funktion, der Kommunikation. Je nach dem Muster der elektrischen Impulse, das bei einzelnen Arten und Individuen unterschiedlich ist, kann ein Fisch sich Informationen beschaffen und damit Spezies, Geschlecht, Größe und Identität (fremd oder bekannt) der Fische erkennen, von denen die Impulse ausgehen. Ein Niedervolt-Fisch teilt seinen Artgenossen soziale Botschaften mit. Letztlich kann er auf elektrischem Wege sagen: »Das ist mein Revier, weg mit dir«, oder: »Ich Tarzan, du Jane, du machst mich an, es ist Zeit für Sex.«
Fische, die einige Volt produzieren, können damit nicht nur Beutetiere aufspüren, sondern mit Hilfe der elektrischen Schläge auch eine vierte Funktion ausführen: Sie können kleine Fische und andere kleine Beutetiere töten. Je höher die elektrische Spannung ist, desto größere Beutetiere können getötet werden, und irgendwann ist man beim zwei Meter langen 600 -Volt-Aal angelangt, der sogar ein Pferd im Fluss betäuben kann. (An diese Geschichte aus der Evolution erinnere ich mich sehr lebhaft, weil ich zu Beginn meiner Doktorarbeit die Stromproduktion elektrischer Aale erforschte. Von den molekularen Einzelheiten der Stromerzeugung war ich so fasziniert, dass ich ihr Produkt vergaß und aus einem Impuls heraus nach einem Aal griff, um mit meinem ersten Experiment zu beginnen – mit wahrhaft schockierenden Folgen.) Hochspannungsfische erzielen mit ihren kräftigen Entladungen noch zwei weitere Wirkungen: Sie können sich gegen potentielle natürliche Feinde verteidigen, indem sie dem Angreifer einen elektrischen Schlag versetzen; und sie gehen mit »Elektrofischerei« auf die Jagd, das heißt, sie locken Beute zu ihrem elektrisch positiv geladenen Ende (der Anode), eine Methode, die auch von kommerziellen Fischern angewandt wird. Wo diese allerdings den Strom mit Batterien oder Generatoren erzeugen müssen, tun es die Aale mit dem eigenen Körper.
Kommen wir nun noch einmal auf die skeptischen Kreationisten zurück, nach deren Ansicht die natürliche Selektion nie aus einem normalen 0 -Volt-Aal einen 600 -Volt-Aal hätte machen können, weil angeblich alle dazu notwendigen Zwischenformen elektrischer Niedervolt-Organe nutzlos gewesen wären und ihren Eigentümern nicht beim Überleben geholfen hätten. Die Antwort lautet: Beutetiere mit einem elektrischen Schlag von 600 Volt zu töten, war ursprünglich nicht die Aufgabe der elektrischen Organe, sondern diese Funktion entstand als Nebenprodukt in einem Organ, das ursprünglich aufgrund anderer Funktionen selektioniert wurde. Wie wir erfahren haben, übernahmen die elektrischen Organe nach und nach sechs verschiedene Funktionen, während die natürliche Selektion ihre Produktion von null bis auf 600 Volt steigerte. Ein 0 -Volt-Fisch kann mit passiver Elektrodetektion Beutetiere aufspüren und sich orientieren; ein Niedervolt-Fisch führt die gleichen Funktionen effizienter aus und kann außerdem auf elektrischem Weg kommunizieren; und der Hochvolt-Fisch schließlich kann seine Beute elektrisch lähmen, sich verteidigen und mit elektrischer Hilfe auf die Jagd gehen. Wie wir noch erfahren werden, übertrifft die Religion der Menschen sogar die elektrischen Aale, denn sie erfüllte nacheinander nicht nur sechs, sondern sogar sieben Funktionen.
Die Suche nach kausalen Begründungen
Aus welchen Eigenschaften der Menschen könnte Religion demnach auf ähnliche Weise als Nebenprodukt entstanden sein? Nach einer plausiblen Vorstellung war sie das Nebenprodukt der immer höher entwickelten Fähigkeit unseres Gehirns, auf Ursachen, Abläufe und Absichten zu schließen, Gefahren vorherzusehen und kausale Erklärungen mit einem Vorhersagewert zu formulieren, die uns beim Überleben geholfen haben. Natürlich haben auch Tiere ein Gehirn und können damit auf gewisse Absichten schließen. Wenn eine Schleiereule beispielsweise in völliger Dunkelheit mit dem Gehör eine Maus ausmacht, hört sie die Schritte der Maus, berechnet daraus ihre Laufrichtung und Geschwindigkeit und schließt auf die Absicht der Maus, mit der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Richtung weiterzulaufen; dann stößt sie genau am richtigen Ort und
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