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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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die Inselbewohner. Durch diesen neuen Reichtum stieg der durchschnittliche Zuckerverbrauch bis 1927 auf ein knappes halbes Kilo pro Kopf und Jahr, und man musste Arbeitskräfte importieren, weil die Inselbewohner selbst nicht als Bergleute arbeiten mochten.
    Während des Zweiten Weltkrieges war Nauru von japanischen Streitkräften besetzt, die Zwangsarbeit verhängten, die Lebensmittelrationen auf 250  Gramm Kürbis am Tag senkten und schließlich den größten Teil der Bevölkerung nach Truk deportierten, wo die Hälfte der Menschen verhungerte. Als die Überlebenden nach dem Krieg nach Nauru zurückkehrten, erhielten sie wiederum ihre Gebühren für den Phosphatbergbau; sie gaben nun die Landwirtschaft fast völlig auf, kauften wieder in Supermärkten ein und füllten ihre Einkaufswagen mit Tüten voller Zucker, bis sie schließlich das Doppelte der empfohlenen Kalorienmenge zu sich nahmen. Sie wurden unbeweglich und fuhren auf ihrer kleinen Insel (die im Durchschnitt einen Radius von ungefähr zweieinhalb Kilometern hat) mit Autos herum. Nach der Unabhängigkeit 1968 stiegen die Entschädigungen durch den Phosphatbergbau auf 23 000  Dollar pro Kopf, womit die Bewohner von Nauru zu den reichsten Völkern der Welt gehörten. Heute sind sie im gesamten Pazifikraum die Inselbevölkerung mit dem größten Übergewicht und eine der Gruppen mit dem höchsten durchschnittlichen Blutdruck. Ihr durchschnittliches Körpergewicht liegt um 50  Prozent höher als das weißer Australier mit gleicher Körpergröße.
    Die Ärzte der europäischen Kolonialmächte in Nauru wussten zwar, wie man Diabetes erkennt, und diagnostizierten die Krankheit dort auch bei Arbeitskräften, die nicht von der Insel stammten, der erste Fall bei einem Einheimischen fiel aber erst 1925 auf. Über den zweiten Fall wurde 1934 berichtet. Nach 1954 jedoch stieg die Krankheitshäufigkeit steil an, und Diabetes wurde zur häufigsten nicht unfallbedingten Todesursache. Ein Drittel aller 20 -jährigen Nauruaner, zwei Drittel der über 55 -Jährigen und 70  Prozent derer, die das 70 . Lebensjahr erreichen, sind Diabetiker. In den letzten zehn Jahren geht die Krankheitshäufigkeit langsam wieder zurück, aber das liegt nicht an einer Verringerung der umweltbedingten Risikofaktoren (Fettleibigkeit und eine bewegungsarme Lebensweise sind so verbreitet wie eh und je), sondern vermutlich daran, dass die genetisch anfälligsten Personen bereits gestorben sind. Sollte sich diese Interpretation als richtig erweisen, hätte auf Nauru die schnellste mir bekannte natürliche Selektion in einer Menschenpopulation stattgefunden: In einer ganzen Bevölkerungsgruppe hätte sich innerhalb von 40  Jahren eine nachweisbare natürliche Auslese abgespielt.
    Diabetes in Indien
    In der Tabelle  5 sind einige Diabeteshäufigkeiten aus der ganzen Welt zu Vergleichszwecken zusammengefasst. Wie man leicht erkennt, gibt es in der durchschnittlichen Häufigkeit zwischen verschiedenen Staaten große Unterschiede: Das Spektrum reicht von niedrigen Werten –  1 , 6  Prozent in der Mongolei und Ruanda – bis zu 19  Prozent in den Vereinigten Arabischen Emiraten und 31  Prozent in Nauru. Die Tabelle macht aber auch deutlich, dass solche landesweiten Durchschnittswerte große Unterschiede innerhalb eines Landes verschleiern, die mit der unterschiedlichen Lebensweise zu tun haben: Zumindest in Entwicklungsländern ist die Diabeteshäufigkeit in wohlhabenden, westlich geprägten oder urbanen Bevölkerungsgruppen weitaus höher als in der armen, traditionell lebenden oder ländlichen Bevölkerung.
    Bevölkerungsgruppe
Häufigkeit (in Prozent)
Pazifikinseln
 
Nauru, 1952
0
Nauru, 2002
41
Nauru, 2010
31
Papua-Neuguinea, traditionell
ca. 0
Papua-Neugunea, Wanigela (Stadtbewohner)
37
Australische Ureinwohner
 
traditionell
ca. 0
westlich geprägt
25 – 35
Amerikanische Ureinwohner
 
Mapuche (Chile)
1
Pima ( USA )
50
    Tabelle  5 : Diabetes- 2 -Häufigkeit auf der Welt
    Die Zahlen in der rechten Spalte bezeichnen die Diabeteshäufigkeit in Prozent, d.h. den Anteil der Bevölkerung, der an Diabetes des Typs  2 leidet. Es handelt sich dabei um sogenannte altersstandardisierte Prävalenzen; damit hat es folgende Bewandtnis: Da Diabetes  2 in einer Bevölkerungsgruppe mit steigendem Alter häufiger wird, wäre es irreführend, wenn man die Rohdaten der Häufigkeiten in Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Altersverteilung vergleichen würde. Man würde dann damit rechnen, dass

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