Vermählt mit einem Fremden
auf Anhieb nicht hatte ausstehen können?
Der Bund war geschlossen, Harriette war seine Frau. Was nützte es, wenn er ihr unbewiesene Verbrechen vorwarf? Mehr, als sie in Zukunft vom Schmuggeln abzuhalten, konnte er nicht tun, und das würde er erreichen, wenn sie in London lebten, fern von Lydyard’s Pride.
Hallaston House am Grosvenor Square war genauso prunkvoll, wie seine Adresse vermuten ließ, und dazu angetan, Harriette mit seinen Marmorböden, glitzernden Kronleuchtern und geschwungener Prachttreppe einzuschüchtern. Graves, der ganz in Schwarz gekleidete Butler, geleitete sie in die Bibliothek.
Das Haus hegt Geheimnisse, es atmet Gram und Freudlosigkeit, ging es Harriette als Erstes durch den Kopf.
„Die Countess of Venmore“, verkündete Graves mit bewundernswert unterdrückter Verwunderung. „Mylady – Lord Adam Hallaston.“
Harriette, erschöpft von den vorangegangenen Belastungen, straffte sich stolz, um ihrer neuen Familie gebührend zu begegnen.
Eine Mischung aus Unglauben und Erschrecken im Blick, starrte Adam Hallaston sie an. Er war jünger als sie selbst und ähnelte, wenn auch ein wenig heller an Teint und Haar, seinem Bruder außerordentlich. Trotz seiner Verblüffung sprang er rasch aus seinem Sessel auf und verbeugte sich ein wenig unbeholfen, war aber geistesgegenwärtig genug, ihre Hand zu nehmen. Was er sagte, verblüffte wiederum Harriette.
„Hat er es endlich getan!“
„Was bitte?“
„Geheiratet!“
„War das nicht einmal zu erwarten?“
„Schon, irgendwann mal. Aber bisher hat ihn nicht eine der Debütantinnen in die Falle locken können.“
Amüsiert beschloss Harriette, bei der Wahrheit zu bleiben. „Ich bin keine Debütantin. Ich bin eine Schmugglerin.“
„Ah …“ Er suchte nach einer passenden Antwort.
„Und ich habe ihm auch keine Falle gestellt.“
„Nein … so meinte ich das nicht.“ Adam errötete verlegen. „Nur, wissen Sie, wir Hallastons heiraten nie jung. Marcus war auch nicht verheiratet.“
„Marcus?“
Einen Augenblick senkte sich tiefes, bekümmertes Schweigen über den Raum. Dann hatte Adam sich gefangen. „Unser Bruder. Er starb vor fast einem Jahr.“
„Ich bitte um Verzeihung, das wusste ich nicht …“ Nun nach all der unerklärlichen Spannung des Tages auch noch dieses. Warum hatte Luke ihr nichts gesagt?
„Sind Sie wirklich eine Schmugglerin?“
„Ja, wirklich.“
„Warum hat Luke Sie …“ Peinlich berührt ob seiner Taktlosigkeit, brach er ab, konnte aber seine Faszination nicht ganz verbergen.
„Warum der Earl mich geheiratet hat? Eine Person, die so wenig mit den modischen Damen des ton gemein hat?“
„Äh …“
Sie würde ihm keine platte Erklärung bieten in der Art, dass sie schon länger eine heimliche Neigung zueinander gehegt hätten oder Ähnliches. „Das müssen Sie Ihren Bruder fragen.“
„Was, bitte?“
Weder hatte sie das Öffnen der Tür gehört noch Schritte auf dem dicken, weichen Teppich, doch plötzlich stand Luke neben ihr, und schon begann ihr Herz ungestüm zu klopfen, nur weil er ihr so nah war. Und der Nähe entsprang sofort Verlangen. Sein stolz erhobenes Haupt, sein ernstes, schönes Gesicht, seine kraftvolle Gestalt …
„Luke, endlich!“, rief Adam.
„Du hast meine Gattin hoffentlich begrüßt, wie es sich gehört? Adam, deine Weste ist ein wahres Prachtstück!“
Adam, bemüht modisch gekleidet, lachte nur über die Anspielung auf das mit breiten Streifen prunkende Stück, was Harriette in ihrem Gefühl bestätigte, dass die Brüder einander sehr gern hatten.
„Was sollst du mich fragen?“, wiederholte Lucius.
Er sieht müde aus und ein wenig gereizt, fand Harriette, und ehe sie sich’s versah, fühlte sie Mitleid mit ihm, gab dem aber nicht nach. „Dein Bruder möchte wissen, warum du mich gewählt hast, obwohl ich den Damen, die üblicherweise um deine Aufmerksamkeit buhlen, kaum ähnele. Und er ließ mich wissen, dass die Hallastons nie früh heiraten.“
„So? Nun, es stimmt. Aber was meine Wahl angeht – es ist leicht zu erklären.“ Er begegnete Harriettes herausforderndem Blick gleichmütig, während er ihre Hand an seine Lippen hob. „Ich traf Harriette während eines Sturms auf See. Sie war nass bis auf die Haut, und der Wind riss und zerrte an ihrem Haar. Wie eine Meerjungfrau kam sie mir vor, sah man von ihrer Kleidung ab. Auf der Stelle wollte ich sie zur Frau.“ Ohne zu lächeln, fügte er hinzu: „In jener Nacht rettete sie mir das Leben,
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