Vermählt mit einem Fremden
es ihn nach ihr verlangt, als er seinen Zweifeln zum Trotz zu ihr ging? Wäre er geblieben, wenn sie ihn freundlich aufgenommen hätte? Ja, ja! Ihre weichen Arme, ihre zierlichen Hände verlangten förmlich danach, mit Küssen übersät zu werden. Wie verloren sie in dem großen Bett wirkte! Kaum dass er an sich halten konnte, sie zu entkleiden und auf der Stelle zu nehmen! Sich in ihr zu verlieren, wie in der Nacht in Lydyard’s Pride.
Und immer noch begehrte er sie! Mühsam kämpfte er gegen seine Erregung an. Er hätte bleiben, ihre kalten Worte in lustvolle Schreie verwandeln sollen.
Doch so war es besser. Zu viel stand zwischen ihnen. Es war doch besser so – oder?
Warum dann fühlte er sich so zerrissen? Er liebte sie ja nicht einmal, fühlte sich ihr einfach nur verpflichtet. Und trotzdem verspürte er den qualvollen Drang, sich ihr zu öffnen, ihr von den Fallstricken zu erzählen, in denen er sich verfangen hatte, ihr zu erklären, warum er sich gegen den Vorwurf, ein Verräter zu sein, nicht wehrte.
Nein, das konnte, durfte er nicht tun.
Von seinem Bruder in London hatte er Harriette erzählt, nicht aber von dem anderen Bruder, dem, der tot war. Der in Spanien an der Seite Wellingtons gekämpft hatte und gefallen war. Nicht allein hatte Marcus’ Tod ihm eine tiefe, schmerzhafte Wunde zugefügt, sondern es hatten sich schwerwiegende, völlig unvorhersehbare Folgen daraus ergeben, die ihn vor die schwerste Entscheidung seines Lebens stellten.
Er fühlte sich einsam, ohne Zuspruch und Rat.
„Ach, Marcus“, stöhnte er auf, „warum musstest du sterben?“ Und dann: „Wie soll ich nur mit dieser Frau umgehen? Sie wühlt mich zutiefst auf, und doch wage ich nicht, ihr zu vertrauen.“
7. KAPITEL
Das Frühstück am Grosvenor Square pflegte sehr ruhig zu verlaufen. Zu so früher Stunde pflegte ein umtriebiger junger Mann wie Adam sich noch nicht zu erheben, und so saßen nur Lucius und Harriette am Tisch.
Da die Saison vorüber war, hatte sich, wer etwas auf sich hielt, aufs Land zurückgezogen, was Harriette nur zusagte, denn so brauchte sie ihr mangelndes gesellschaftliches Geschick nicht vor aller Augen auszubreiten.
Es war vermutlich sehr ungewöhnlich, dass der Earl of Venmore noch in London weilte, und Harriette fragte sich, was ihn hier hielt. Hing es mit seiner fruchtlosen Mission in Frankreich zusammen? Was war mit dieser Marie-Claude, die er in seinem Dämmerzustand mehrfach genannt hatte? Liebte er diese Unbekannte vielleicht doch? War er deswegen so kalt zu ihr? Seit sie ihn so wenig elegant abgewiesen hatte, war er nicht mehr zu ihr gekommen.
Harriette war einsam und unglücklich. Sie verzehrte sich nach Luke, nach den Zärtlichkeiten, die er ihr in der Hochzeitsnacht geschenkt hatte, hätte am liebsten ihren Stolz vergessen, sich in seine Arme geworfen und ihn heiß geküsst. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn nackt neben sich auf dem Bett knien, sie mit Händen und Lippen liebkosen …
Hastig unterdrückte sie diese Bilder, denn Graves trat ein. Er reichte dem Earl auf silbernem Tablett ein doppelt gefaltetes Papier.
Lucius las, dann presste er kurz die Lippen zusammen, und zwischen seinen Brauen bildete sich eine strenge Falte. „Harriette …“, setzte er an, dann verstummte er abwesend.
Schon wollte sie fragen, von wem das Schreiben sei, als er fortfuhr: „Ich muss für ein paar Tage fort, nach Bishop’s Waltham.“
„Oh!“ Ohne nachzudenken, fragte sie: „Kann ich dich begleiten? Da war ich noch nie.“
Lucius legte die Serviette ab und stand auf. „Nein, ich habe dort zu tun. Ich würde keine Zeit haben, dich herumzuführen oder dir Gesellschaft zu leisten. Du würdest dich langweilen.“
Sie glaubte fast, er würde ohne weitere Erklärung hinausgehen, doch auf dem Weg zur Tür machte er kehrt und kam zu ihr an den Tisch. Er beugte sich zu ihr, umfing mit den Händen ihr Gesicht und hauchte ihr unendlich zart einen Kuss auf die Stirn. „Verzeih mir, Harriette, ich muss fahren, so wenig ich es selbst möchte … aber wenn ich zurück bin …“ Mit dem Daumen fuhr er über ihre Unterlippe, dann drückte er seinen Mund auf den ihren, lange und fest und verlangend, sodass ihr Herz zu rasen begann.
Jäh ließ er von ihr ab, verneigte sich knapp und war mit ein paar schnellen Schritten bei der Tür.
„Luke …“ Irgendetwas Finsteres, Gefahrvolles treibt ihn, dachte sie.
Er blieb stehen und schaute sich um, ein wenig ungeduldig, wie ihr schien, sodass sie
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