Vermählt mit einem Fremden
Signale manchmal nicht nur, um das eigene Boot sicher zu leiten. Ein blutiges Geschäft natürlich, aber höchst lukrativ.“
„Wollen Sie sagen, dass Harriette in so etwas verwickelt ist?“, fragte Lucius ruhig, während er sich zu voller Größe reckte und Ellerdine durchdringend fixierte. „Sie müssen entschuldigen, aber das glaube ich nicht.“
„Nein? Sagt Ihnen der Name Lion d’Or etwas? Ein Segler aus Dieppe, mit einer Ladung Seide. Lief vor drei Jahren hier in der Bucht auf Grund.“ Alexander deutete zu der scharf gezackten Linie der Klippen am Horizont. „Die Seide brachte in London ein hübsches Sümmchen ein.“
„Und die Schiffsbesatzung?“
„Keine Überlebenden“, meinte Alexander schulterzuckend. „Das kommt vor. Wir konnten nichts mehr tun.“
„Wer hat damals das Signal entzündet?“
„Wer wohl? Jedenfalls wurde die Lion d’Or durch die Lampe im Turmfenster von Lydyard’s Pride in ein felsiges Grab gelockt.“
Lucius konnte das selbstgefällige Lächeln Ellerdines nicht ertragen, doch es blieb keine Gelegenheit zu weiteren Fragen, denn leichtfüßige Schritte vom Haus her kündigten Harriettes Kommen an, und gleich darauf trat sie zu ihnen.
Alexander wandte sich ihr mit einer ironischen, aber eleganten Verneigung zu. „Wir sprachen gerade über dich, Cousine. Und wie geht es der Countess of Venmore heute Morgen?“ Herzhaft drückte er ihr, die errötete, einen Kuss auf die Wange; dann ging er gemächlich ins Haus.
Mit schüchternem Lächeln, aber freudig erregt wandte Harriette sich Luke zu – nur um sich einer kalten, unbewegten Miene gegenüberzusehen. Er musterte sie mit einem Blick, den man nur düster nennen konnte. Nicht ein liebevolles Grußwort gönnte er ihr. Sie fühlte sich, als hätte man ihr einen Kübel Eiswasser übergegossen.
„Zeit, aufzubrechen“, sagte er knapp.
„Ja, sicher.“ Verwirrt fragte sie: „Stimmt etwas nicht, Luke?“ Warum musste er sich sein Lächeln förmlich abringen?
„Nein, wieso? Geh, hol deinen Reisemantel, es wird kühl sein auf dem Wagen.“
„Habe ich etwas getan, das du missbilligst?“
„Nein, nichts. Verzeih, wenn ich abgelenkt wirke.“
Was hatte er nur? Er beobachtete sie kühl, und ihr schien, dass plötzlich eine unüberwindbare Schranke zwischen ihnen stand. Es musste etwas mit ihr zu tun haben. Bedauerte er im Nachhinein die leidenschaftliche Liebesnacht? Gar die Eheschließung? Überhaupt alles? Zu ihrer Beschämung musste sie gegen Tränen ankämpfen.
Schweigend wandte sie sich ab und ging, um ihren Umhang zu holen. War das der Mann, der sie in seinen Armen gehalten, sie geküsst und besessen hatte? War dieser kalte, distanzierte Mann der gleiche, der sie so kunstvoll in die Freuden der Liebe eingeweiht, der sie heute Morgen mit der gleichen Leidenschaft geweckt hatte? Irrte sie, wenn sie danach zumindest einen Hauch Wärme und Zuwendung erwartete, selbst wenn er sie nicht liebte?
Ihre Welt war plötzlich auf den Kopf gestellt. Wodurch konnte diese tiefe Kluft zwischen ihnen entstanden sein? Hatte ihre Unerfahrenheit sie zu einem Fehlurteil verleitet? Oder handhabte man es in der vornehmen Welt so, dass Zärtlichkeiten im Bett nur ein Spiel waren, das sich am Tage in trostlose Duldsamkeit verkehrte? Es würde ihr eine unvergessliche Lehre sein. Nie durfte Luke merken, dass sie für ihn mehr als dieses lauwarme Dulden verspürte. Wütend wischte sie mit dem Ärmel eine heiße Träne fort. Sie würde nicht weinen! Nein! Wie töricht sie gewesen war, wie vertrauensselig! Doch niemand sollte die Wunde sehen, die seine Täuschung ihrem Herzen versetzt hatte.
Ihr blieb keine Zeit, über ihr Elend zu grübeln, denn ihr Cousin fing sie in der Halle ab.
„Harriette, ehe du fährst – sag, wirst du mir erlauben, während deiner Abwesenheit das Haus zu benutzen?“
Nur mühsam sammelte sie sich. Das Haus. War ihr das recht? Sollten die Schmuggelbrüder, während sie fort war, freien Zugang haben? Sie standen zwar unter Alexanders Aufsicht, aber dennoch …
„Mir wäre lieber, wenn nicht, Alex“, sagte sie ein wenig unglücklich. „Rodmell belauert es sowieso schon. Höchstens das Turmzimmer will ich gestatten; Wiggins kann die Lampe für euch anzünden.“
„Es geht mir um die Kellergewölbe.“ Alexander fasste drängend nach ihrem Arm.
„Nein, das will ich nicht! Nur im alleräußersten Notfall. Weicht auf den Kirchhof aus. Du weißt, der Pfarrer lässt euch ein.“
Einen Moment sah es aus, als
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