Vermiss mein nicht
ausgezogen und an den Torpfosten gebunden hatten.
»Eine Agentur für Personensuche.«
»Ach Jack«, flüsterte sie und schlug sich bestürzt die Hand vor den Mund.
»Na ja, das ist doch nicht schlimm, oder, Judith? Warum soll nicht noch jemand nach ihm suchen?«
»Das Schlimme ist, dass du schon wieder eine Woche freinimmst und dass Gloria mich anruft, weil sie nicht weiß, wo du bist.«
»Sie hat angerufen?«
»Um zehn gestern Abend.«
»Oh.«
»Also, erzähl mir von dieser Agentur.«
»Nein.« Frustriert lehnte er sich zurück. »Nein, jetzt hab ich keine Lust mehr.«
»Jack, sei doch nicht kindisch. Erzähl es mir.«
Er wartete, bis er sich ein bisschen abgeregt hatte, dann sagte er: »Ich bin in den Gelben Seiten auf eine Anzeige gestoßen und hab sie angerufen.«
»Wen?«
»Eine Frau. Sandy Shortt. Ich hab ihr die ganze Geschichte erklärt, und sie hat mir gesagt, dass sie solche Fälle schon des Öfteren gelöst hat. Wir haben uns letzte Woche jeden Abend bis spät in die Nacht unterhalten. Sie war früher bei der Polizei und konnte mit Hilfe ihrer Beziehungen ein paar Berichte auftreiben, die wir nie zu Gesicht gekriegt haben.«
Judith hob die Augenbrauen. »Sie wollte kein Geld dafür haben, Judith, und ich hab ihr geglaubt. Ich hab ihr geglaubt, dass sie mir helfen will und dass sie Donal finden kann. Sie war seriös, dafür lege ich die Hand ins Feuer.«
»Warum sprichst du von ihr, als wäre sie tot?«, fragte seine Schwester lächelnd und hielt dann erschrocken inne. »Sie ist nicht gestorben, oder?«
»Nein«, antwortete Jack und schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß nicht, wo sie ist. Wir haben uns am Sonntagmorgen in Glin verabredet und sind uns vorher an einer Tankstelle begegnet. Aber das ist mir erst danach klar geworden.«
Judith runzelte die Stirn.
»Wir hatten uns ja nur am Telefon unterhalten, weißt du.«
»Woher wusstest du dann, dass sie es war?«
»Ich hab ihr Auto beim Estuary gefunden.«
Jetzt sah Judith noch verwirrter aus.
»Also, wir wollten uns treffen, und sie hat mir in der Nacht davor auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass sie in Dublin losgefahren ist, aber dann ist sie nicht aufgetaucht. Deshalb hab ich mich in der Stadt umgesehen, mich in den Bed and Breakfasts nach ihr erkundigt, und als ich sie nirgends gefunden habe, bin ich beim Estuary spazieren gegangen. Und da hab ich ihr Auto gefunden.«
»Wie kannst du so sicher sein, dass es ihres ist?«
Jack öffnete die Tasche, die er neben sich gestellt hatte. »Weil das hier auf dem Armaturenbrett lag.« Er legte die Akte auf den Küchentisch. »Und das hier auch noch«, fügte er hinzu und holte Sandys Terminkalender und ihr inzwischen wieder aufgeladenes Handy heraus. »Sie kennzeichnet alles, absolut alles. Ich hab ihre Tasche durchgesehen – sämtliche Klamotten, ihre Socken, alles hat Etiketten. Als hätte sie panische Angst, was zu verlieren.«
Judith schwieg. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf und fragte: »Du hast also ihre Tasche durchwühlt. Aber wie bist du denn da drangekommen? Vielleicht hat sie das Auto stehen lassen und einen Spaziergang gemacht. Was, wenn sie zurückkommt und ihr ganzes Zeug ist weg? Bist du verrückt geworden?«
»Dann muss ich mich entschuldigen, ja. Aber sie ist seit drei Tagen weg. Das ist ein ziemlich langer Spaziergang.«
Sie schwiegen beide und dachten daran, wie verzweifelt ihre Mutter gewesen war, als sie drei Tage nichts von Donal gehört hatten.
»Ich hab Graham Turner angerufen.«
»Was hat er gesagt?« Judith hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Sie wollte das alles nicht noch einmal durchmachen.
»Er meinte, weil ich da erst gut vierundzwanzig Stunden nichts gehört hatte und das angeblich Sandys üblichem Verhalten entspricht, soll ich mir keine Sorgen machen.«
»Warum, was ist denn ihr übliches Verhalten?«
»Dass sie kommt und geht, wie es ihr gefällt, dass sie einzelgängerisch ist und manchmal keinem sagt, wo sie ist«, ratterte er Grahams Begründungen müde herunter.
»Oh.« Judith wirkte erleichtert.
»Aber dann parkt man doch sein Auto nicht unter den Bäumen am Estuary und lässt es drei Tage da stehen. Ich finde, das ist was anderes, als zu kommen und zu gehen, wie es einem beliebt.«
»Warte mal – verstehe ich das richtig?«, fragte Judith nachdenklich. »Die Frau von der Agentur für Personensuche ist selbst verschwunden?«
Schweigen.
Judith ließ sich den Gedanken sorgfältig durch den Kopf gehen, während ihr
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