Vermisst: Thriller (German Edition)
den Schlüssel zum Schließfach.
»Ich brauche Zugang zum Depot.«
Ich hinterlegte den zweiten neuen Stick im Tresor und sah auf die Uhr. Noch eine Stunde und fünfundvierzig Minuten.
»Und du bist sicher, dass du dich darauf einlassen willst?«, fragte Jesse.
»Vollkommen sicher.« Ich rief Georgie zu mir. »Ich muss für eine Weile weg. Du bleibst so lange bei PJ. Okay?«
Sie sah nicht so aus, als wäre sie damit einverstanden. Es verstieß gegen die Regeln von Code Black. Doch was sollte ich mit ihr anfangen? Ich konnte nicht Tag und Nacht über sie wachen, bis Jax auftauchte. Sie allein nach London zurückzuschicken kam schon gar nicht in Frage. Auf jeden Fall fiel es mir schwer, sie aus den Augen zulassen. Ich fühlte mich, als hätte ich ein Versprechen gebrochen.
Aber wenn ich den Sangers nicht das Handwerk legte, schwebte sie für den Rest ihres Lebens in Gefahr. Ich konnte sie nur schützen, wenn ich den Sangers den Wunsch austrieb, nach ihr zu suchen. Und dazu musste ich mich in den Großstadtdschungel von Los Angeles begeben.
»Ich weiß, wie schwer das für dich ist. Vertrau mir, Georgie.«
Sie presste die Lippen aufeinander. Für einen Augenblick fürchtete ich, sie würde mir eine Szene machen. Dann beruhigte sie sich.
»Du kommst doch wieder?«, fragte sie.
»Ganz bestimmt.« Dann wandte ich mich an PJ. »Du wartest mit ihr bei Starbucks. Rührt euch nicht von der Stelle.«
Er nickte. »Alles klar.«
Ich nahm Georgie fest in die Arme. Sie schmiegte sich an mich. »Bis später.«
»Beeil dich«, murmelte sie.
Jesse und ich fuhren gemeinsam mit dem Aufzug nach unten. Er schluckte zwei Aspirin und überließ mir seine Wasserflasche, damit ich meine Koffeintablette runterspülen konnte.
»Ich wünschte, es wäre nie so weit gekommen«, meinte er.
»Es war unvermeidlich. Wenn ich mich nicht ins Ausland absetzen und dort mutterseelenallein unter falschem Namen leben will, muss ich mich der Sache stellen.« Ich warf einen Blick auf mein Handgelenk. »Uhrenvergleich!«
Er lächelte wehmütig. »Kaum lässt man dich zwei Tage mit Jax allein, schon redest du wie eine Agentin.«
»Hoffen wir, dass es klappt.«
Unten in der lichtdurchfluteten Lobby reichte Jesse mir sein Handy, weil mein thailändisches Mobiltelefon in den Staaten nicht funktionierte. Ich wühlte nach dem Papier mit Christian Sangers Telefonnummern, warf Jesse einen Blick zu und wählte.
»Elysium Concierge«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Hier ist Evan Delaney für Rio Sanger.«
Die Menschen um uns herum lachten und unterhielten sich. Ich spürte, wie die Wirkung der Koffeintablette einsetzte und straffte mich.
»Ich hab Ihnen doch die Nummer vom Auftragsdienst gegeben. Wieso rufen Sie hier an?« Rios träge, sinnliche Stimme war geradezu klebrig süß.
»Ich habe das Dossier. Jetzt will ich meinen Vater.«
»Was sind denn das für Manieren?«
»Es gibt allerdings ein Problem mit dem Dossier.«
»Gefällt Ihnen etwa nicht, was Ihr Daddy so alles getrieben hat?«
Jesse ließ mich nicht aus den Augen. Ich nickte ihm zu. Wie wir vermutet hatten, ahnte Rio nichts von den Satellitenaufnahmen. Ihres Wissens war die versteckte Kamera in Hanks Haus die einzige gewesen. Gut für uns. Wenn wir Glück hatten, würde unser Plan gelingen.
»Ich habe überall auf der Welt die Bestandteile des Riverbend-Dossiers eingesammelt, aber mir fehlt das letzte Teil.«
»Das ist gegen unsere Abmachung.«
»Reden Sie bloß nicht von Abmachung! Sie haben mich doch von Anfang an verladen. Jetzt werden die Karten neu gemischt.«
»Darauf lasse ich mich nicht ein. Sie tun gefälligst, was ich Ihnen sage.«
»Vielleicht hören Sie mir endlich mal zu! An das letzte Teil komme ich nicht ran, weil Sie den Schlüssel dazu haben«, sagte ich. »Sie kriegen von mir die Videoaufnahmen von Hanks Ermordung. Aber das Geld gibt es nur im Austausch gegen meinen Vater.«
Keine Antwort. Ich konnte nur hoffen, dass ihr das zu denken gab.
»Hat Ihr Sohn Ihnen denn nichts davon erzählt? Ach, stimmt ja, der war zu sehr damit beschäftigt, kleine Mädchen zu jagen. Das mit der Kindesentführung war ein nettes Ablenkungsmanöver, aber ich weiß, was Sie wirklich wollen. Und ich bin bereit, mit Ihnen halbe-halbe zu machen. Leider kann ich das nicht. Sie sind nämlich die Einzige, die weiß, wo mein Vater steckt.«
»Sie sprechen in Rätseln.«
»Der letzte Teil des Riverbend-Dossiers ist verschlüsselt. Und ohne den lässt sich nicht rausfinden, wo die
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