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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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und Inspektoren hatten von dem
vergifteten Wasser getrunken, hielten die Beschlüsse des
Königs für absurd und beschlossen, sie keinesfalls zu befolgen.
Als die Bevölkerung von den königlichen Verordnungen
hörte, glaubte sie, der Herrscher sei verrückt geworden und
würde nunmehr sinnloses Zeug schreiben. Sie begaben sich
unter lautem Geschrei zur Burg und verlangten seinen
Rücktritt.
Verzweifelt willigte der König ein, den Thron zu verlassen,
doch die Königin hinderte ihn daran und sagte: >Laß uns
zum Brunnen gehen und auch daraus trinken. Dann sind
wir genauso wie sie.<
So geschah es: Der König und die Königin tranken vom
Wasser der Verrücktheit und fingen sogleich an, sinnlose
Dinge zu sagen. Nun bereuten die Untertanen ihr Ansinnen. Jetzt, da der König so viel Weisheit zeigte, könne man
ihn doch weiter das Land regieren lassen.
Das Leben in diesem Land verlief ohne Zwischenfälle,
wenn es auch anders war als das der Nachbarvölker. Und
der König regierte bis ans Ende seiner Tage.«
Veronika lachte.
»Du wirkst überhaupt nicht verrückt«, sagte sie.
»Doch, doch, ich werde gerade behandelt, aber mein Fall
ist einfach gelagert: Man muß meinem Organismus nur eine
bestimmte chemische Substanz zuführen. Ich hoffe allerdings, daß diese Substanz mir nur das Problem meiner
chronischen Depression löst. Ansonsten möchte ich weiterhin
verrückt sein, mein Leben so leben, wie ich es mir erträume,
und nicht so, wie die anderen es von mir erwarten. Weißt du,
was es dort draußen, außerhalb der Mauern von Villete
gibt?«
»Leute, die aus demselben Brunnen getrunken haben.«
»Genau«, sagte Zedka. »Sie glauben, daß sie normal sind,
weil sie alle das gleiche machen. Ich werde so tun, als hätte
ich auch von jenem Wasser getrunken.«
»Ich auch, und das gerade ist mein Problem. Ich hatte nie
eine Depression, aber auch keine große Freude oder Traurigkeit, die lange andauerte. Meine Probleme unterscheiden
sich nicht von denen, die alle anderen auch haben.«
Zedka schwieg eine Weile.
»Du wirst sterben, habe ich gehört.«
Veronika zögerte. Konnte sie der Fremden vertrauen? Sie
mußte es riskieren.
»Erst in fünf, sechs Tagen. Ich überlege die ganze Zeit, ob es
eine Möglichkeit gibt, schon vorher zu sterben. Wenn du oder
irgend jemand anderes hier drinnen mir neue Tabletten
besorgen könnte, bin ich sicher, daß mein Herz das dieses
Mal nicht übersteht. Versteh doch, wie sehr ich darunter
leide, auf den Tod warten zu müssen, und hilf mir.«
Bevor Zedka antworten konnte, erschien die Krankenschwester mit einer Spritze.
»Ich kann sie Ihnen selber geben«, sagte sie. »Aber wenn
Sie wollen, kann ich auch die Wärter von draußen dazuholen.«
»Verschwende deine ganze Energie nicht wahllos«, sagte
Zedka zu Veronika. »Spar mit deinen Kräften, wenn du das
haben willst, worum du mich bittest.«
Veronika erhob sich, ging zu ihrem Bett und ließ die
Krankenschwester ihre Pflicht tun.
Dies war ihr erster regulärer Tag in einer Irrenanstalt. Sie
verließ die Krankenstation, frühstückte im großen Speisesaal, in dem Männer und Frauen gemeinsam aßen. Stellte
fest, daß anders als in den Filmen, wo Aufbegehren, Geschrei, irres Gestikulieren gezeigt wurden, hier alles wie in
eine Aura bedrückender Stille eingehüllt war. Niemand
schien seine Innenwelt mit Fremden teilen zu wollen.
    Nach dem recht ordentlichen Frühstück (schlechtes Essen
konnte man Villete wahrlich nicht anlasten) gingen alle hinaus, um ein Sonnenbad zu nehmen. In Wahrheit schien
überhaupt keine Sonne, die Temperatur lag unter dem Gefrierpunkt und der Garten unter einer Schneedecke.
    »Ich bin nicht hier, um mein Leben zu bewahren, sondern
um es aufzugeben«, sagte Veronika zu einem der Krankenpfleger.
»Das ist egal, Sie müssen trotzdem ins Freie und an die
    Sonne.«
»Hier sind wohl Sie die Verrückten: Es scheint gar keine
Sonne!«
»Aber das Licht beruhigt die Patienten. Leider dauert
unser Winter sehr lange. Andernfalls hätten wir viel weniger
Arbeit.«
Es lohnte nicht zu streiten. Veronika ging hinaus, wanderte ein wenig umher, schaute sich um und suchte heimlich
nach einer Fluchtmöglichkeit. Die Mauer war hoch, so
wie es früher für die Kasernen vorgeschrieben war, doch die
Wachtürme waren leer. Rund um den Garten standen militärisch aussehende Gebäude, die nun die Unterkünfte des
Aufsichtspersonals, die Büros und anderen Räume für die
Angestellten beherbergten. Veronika sah bald,

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