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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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»Zedka« zu rufen, zu schreien, mit der
Polizei, der Presse, den Menschenrechtsorganisationen zu
drohen.
»Beruhige dich. Auch wenn du in einer Anstalt lebst,
mußt du ein paar Regeln einhalten.«
Sie sah, daß der Mann es ernst meinte, und bekam Angst.
Da sie aber nichts zu verlieren hatte, schrie sie immer weiter.
Von dort, wo Zekda jetzt war, konnte sie die Krankenstation
mit den leeren Betten sehen. Nur eines war belegt. Neben
ihrem festgebundenen Körper stand ein Mädchen, das ihn
erstaunt anblickte. Das Mädchen wußte nicht, daß die
Körperfunktionen dieses Menschen dort auf dem Bett normal
weiterarbeiteten, die Seele jedoch in der Luft schwebte,
beinahe die Decke berührte und einen tiefen Frieden empfand.
Zedka machte eine >Astralreise<, etwas, was beim ersten
Insulinschock eine Überraschung gewesen war. Sie hatte
niemandem etwas davon gesagt. Sie war nur hier, um von
ihrer Depression geheilt zu werden und anschließend, sobald ihr Zustand es ihr erlaubte, diesen Ort für immer zu
verlassen. Wenn sie erzählen würde, daß sie aus ihrem Körper
getreten sei, würde man glauben, sie sei verrückter als bei
ihrer Einlieferung. Sobald sie in ihren Körper zurückgekehrt
war, begann sie jedoch über beides nachzulesen: über den
Insulinschock und über das seltsame Im-Raum-Schweben.
Über die Behandlung gab es nicht viel: Sie war das erste
Mal um 1930 angewandt worden, doch dann wegen der
möglichen bleibenden Schäden bei den Patienten vollkommen aus der Psychiatrie verbannt worden. Einmal hatte sie
in einer Schock-Behandlung als Astralleib Dr. Igors Büro
besucht, und zwar just in dem Augenblick, als er mit einem
der Besitzer des Krankenhauses redete. »Es ist ein Verbre-
chen«, sagte er. »Es ist billiger und schneller«, entgegnete
ihm der Besitzer. »Außerdem, wer interessiert sich schon
für die Rechte eines Verrückten? Niemand wird Klage einreichen.«
Dennoch hielten es auch einige Ärzte immer noch für eine
schnelle Art, Depressionen zu behandeln. Zedka hatte sich
alles verschafft oder ausgeliehen, was es über den Insulinschock gab. Vor allem die Berichte von Insulinschockpatienten. Es war immer die gleiche Geschichte: Grauen und
abermals Grauen, niemand aber hatte etwas Ähnliches erlebt
wie sie.
Sie schloß - zu Recht - daraus, daß es keinerlei Zusammenhang zwischen dem Insulin und dem Frei-im-RaumSchweben gab. Ganz im Gegenteil, diese Art Behandlung
minderte eher die geistige Fähigkeit des Patienten.
    Sie begann, der Existenz der Seele auf den Grund zu gehen,
las mehrere Bücher über Okkultismus, bis sie eines Tages
auf eine ganze Reihe von Publikationen stieß, die genau das
beschrieben, was sie erlebte: die >Astralreise<. Viele Menschen hatten diese Erfahrung gemacht. Einige hatten über
ihre Erfahrungen geschrieben, und wieder andere hatten
sogar Techniken entwickelt, um diesen Zustand herbeizuführen. Zedka hatte sich diese Techniken beigebracht und
wandte sie jede Nacht an, um hinzugehen, wohin sie wollte.
    Die Berichte über die Erfahrungen und Visionen waren
unterschiedlich, doch hatten sie alle eins gemeinsam: das
seltsame und irritierende Geräusch, das der Trennung von
Körper und Geist vorausgeht, dem der Schock folgt, eine
schnelle Bewußtlosigkeit und dann der Frieden und die
Freude darüber, in der Luft zu schweben, mit einem silbrigen
Faden an den Körper gebunden, der sich unendlich dehnen
ließ, obwohl Legenden (in Büchern natürlich) behaupteten,
daß der Mensch sterben würde, wenn er den Silberfaden
zerreißen ließ.
    Sie hatte indes die Erfahrung gemacht, daß sie so weit
weg gehen konnte, wie sie wollte, und der Faden niemals
riß. Insgesamt aber waren die Bücher nützlich gewesen,
hatten sie ihr doch beigebracht, ihre Astralreisen immer
besser zu nutzen. Durch sie hatte sie beispielsweise gelernt,
daß man, um zum nächsten Ort zu gelangen, sich dies wünschen, den Ort, an den man gelangen wollte, mental festlegen mußte. Anders als bei einer Reise mit einem Flugzeug,
das von einem bestimmten Ort startet, eine bestimmte Entfernung zurücklegt und an einem bestimmten Ort landet,
verläuft die Astralreise durch geheimnisvolle Tunnel. Man
stellte sich einen Ort vor, trat mit unglaublicher Geschwindigkeit in den entsprechenden Tunnel ein, und der gewünschte Ort tauchte auf.
    Die Bücher hatten Zedka auch ihre Angst vor den Wesen
im Weltraum verlieren lassen. Denn sie hatte mit Hilfe der
Bücher und aufgrund eigener Erfahrung

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