Verplant verliebt
Marie betrachtete ihr Gegenüber aus dem Augenwinkel, während Karlo vorne präsentierte. Richard von Bornheim hörte dem Vortrag zu, ohne eine Miene zu verziehen. Sein Gesicht mit der langen geraden Nase und die Art, wie er aufrecht auf seinem Stuhl saß, ohne die Lehne zu berühren, verliehen ihm tatsächlich eine adlige Ausstrahlung. Laut Internet-Schnellrecherche hatte von Bornheim den Namenszusatz seinem Vater zu verdanken und das Geld seiner Familie mütterlicherseits. Die war im Stahlgeschäft reich geworden. Von Bornheims Vater war nach der Hochzeit in die Geschäftsführung berufen worden und hatte ein glückliches Händchen beim Umgang mit der Globalisierung bewiesen. Die Partneragentur war aus einem Hobby seiner Mutter hervorgegangen und überraschend erfolgreich geworden. Vor einiger Zeit hatte der Sohn die Geschäftsführung übernommen. Deshalb die Verjüngungskur per Internet.
Von Bornheims braune Locken waren lässig nach hinten gestrichen und seine Kleidung zeugte von Geschmack und Vermögen. Der schwarze Anzug aus fließendem Stoff und das lachsfarbene Hemd sahen maßgeschneidert aus. Dennoch stand die Kleidung bei ihm nicht im Vordergrund, vielmehr verlieh sie seiner Erscheinung Souveränität, die Marie erstaunlich sexy fand. Sie musterte ihn weiter. Er war einen knappen Kopf größer als sie, definitiv kein Kollege und, soweit sie das beurteilen konnte, auch kein Raucher. Jedenfalls hatte er bei der Begrüßung nicht nach Rauch gerochen. Marie fragte sich, ob ein Kunde nicht vielleicht noch schlimmer war als ein Kollege? Doch halt! Marie kam zur Besinnung. War sie gerade wirklich dabei gewesen, ihren Kunden mit ihrer No-go-Liste abzugleichen?
Plötzlich drehte Herr von Bornheim den Kopf und fing Maries Blick auf. Marie fühlte sich ertappt, hielt seiner Musterung aber Stand. Dann richtete er das Wort an sie: „Frau Rebmann, mich würde Ihre weibliche Sicht interessieren.“
„Ich sehe das genauso wie Herr Winterfeld“, brachte Marie zögernd hervor. Sie schaute schnell zur Präsentation, die per Beamer an die Wand geworfen war. Karlo hatte anscheinend gerade darüber referiert, dass man nicht nur einen professionellen Fotografen benötigen würde, sondern auch einen Berater, der den Klienten dabei half, ihre Charakterzüge herauszuarbeiten und im Profil darzustellen. Marie hatte wieder Boden unter den Füßen. „Aus meiner weiblichen Perspektive kann ich vielleicht noch ergänzen, dass wir Frauen zwar als attraktiv wahrgenommen werden wollen, sich die Männer aber in unsere Persönlichkeit verlieben sollen.“
Herr von Bornheim lächelte das erste Mal, seit Marie ihn vor einer Stunde am Empfang abgeholt hatte. Das stand ihm.
„Danke für Ihre Einschätzung, Frau Rebmann. Sie spiegelt genau das Feedback unserer Klientinnen wider.“
Marie freute sich und sah Karlo an. Der fuhr, ohne ihr Lächeln zu erwidern, mit seinem Vortrag fort. Marie schaute nun konzentriert nach vorne, spürte aber immer wieder von Bornheims Blick auf sich ruhen.
Als Karlo zum Ende gekommen war, schauten die Königin, Karlo und Marie erwartungsvoll zu ihrem Auftraggeber. Dieser blickte erneut Marie an, ließ sich aber mit einer Reaktion Zeit. Seine haselnussbraunen Augen schienen in ihrem Gesicht nach etwas zu suchen. Marie wurde unruhig und wünschte, er würde endlich etwas sagen.
Dann erlöste von Bornheim sie: „Vielen Dank an Sie alle für diese Ausarbeitung. Ihre Ideen gefallen mir außerordentlich gut und ich bin gespannt darauf, mehr zu sehen.“ Er warf einen Blick auf seine goldglänzende Uhr. „Ich muss jetzt leider los. Ein paar Anmerkungen hätte ich noch, ich rufe sie in den nächsten Tagen dazu an.“
Die Runde erhob sich und ging zur Tür. Die Königin bot Herrn von Bornheim an, ihn zum Ausgang zu begleiten. Er ergriff Maries Hand und sah ihr etwas länger in die Augen als sie es von anderen Geschäftspartnern gewöhnt war. „Frau Rebmann, ich freue mich wirklich außerordentlich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.“
Dann drehte er sich zu Karlo um und schüttelte ihm kurz die Hand. „Vielen Dank, Herr Winterfeld.“
Marie verließ den Konferenzraum mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie wusste nicht genau, ob sie wegen der gelungenen Präsentation oder des blaublütigen Flirts so zufrieden war. Karlo sah weniger glücklich aus. Marie verstand nicht, warum. „Ist doch super gelaufen, oder?“
„Fast schon zu gut.“
Doch Marie ließ sich ihre Hochstimmung nicht vermiesen. Sie zuckte mit
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