Verplant verliebt

stöhnte. „Marie! Du kannst flirten, mit wem du willst. Und nein, das ist nicht vergleichbar. Wenn der Kunde dir nicht mehr gefällt, weißt du, dass der Auftrag irgendwann vorbei ist und du ihn von der Backe hast. Wenn dir der Kollege nicht mehr in den Kram passt, ist es schwerer, ihn loszuwerden.“
    Das klang plausibel. Doch noch etwas ließ Marie keine Ruhe. „Viel schlimmer ist, dass er eine Internetdatingbörse eröffnen möchte. Ich finde es schon bedenklich genug, wenn Männer online auf Frauenjagd gehen, aber selbst eine solche Plattform anzubieten, wiegt doch noch viel schwerer. Von Bornheim wird zum Erfüllungsgehilfen derjenigen, die die Anonymität des Internets ausnutzen. Er verschachert einsame Herzen wie Ramschware!“
    Paula runzelte die Stirn und Marie sah ein, dass ihre Anklage wohl etwas zu melodramatisch gewesen war.
    Paula sagte: „So solltest du bei deinem nächsten Geschäftstermin wohl besser nicht argumentieren. Außerdem hatte ich gedacht, dass es genau um das Gegenteil geht. Das Portal von deinem reichen Typen wird exklusiv und teuer? Dann kann doch keine Rede von verschacherter Ramschware sein.“
    Marie überlegte, ob es nun besser war, Liebe nicht billig, sondern teuer zu verkaufen. Aber sie musste sich eingestehen, dass der Markt für Onlinedates nun mal vorhanden war und es nichts brachte, das alles zu verteufeln. Da war es doch viel besser, das System von innen zu revolutionieren, und von Bornheim bot Marie die Chance dazu. Sie würde dabei helfen, Onlinedating zu etwas Besserem zu machen. Marie fühlte sich plötzlich sehr heldenhaft und sah gar nichts Verwerfliches mehr darin, mit von Bornheim zu kooperieren. Sie war zu einer Mission berufen.
    Aber die Mission musste bis Montag warten. „Süße, ich muss ins Bett.“
    Paula wollte Marie gerade davon abhalten, schon aufzubrechen, da trottete V-Ausschnitt wieder an und setzte sich an seinen alten Platz. Meine Güte, wie hartnäckig konnte ein Typ sein?
    Dasselbe dachte sich Paula wohl auch und hob abwehrend die Hand: „Nicht interessiert.“
    „Woran?“
    „An jeglicher Form von Beziehung.“
    „Wer sagt, dass ich eine Beziehung will?“
    Paula schien nachzudenken und musterte ihren Verehrer erneut. Sie würde diesen Schnösel doch nicht wirklich für ein Abenteuer in Betracht ziehen? Als Paula ihre Musterung beendet hatte, schüttelte sie den Kopf, stand auf und hakte sich bei Marie ein. „Weißt du, das ist das Schöne an meinem neu entdeckten Singledasein. Wenn ich mir manche Typen so anschaue, bekommt das Alleine-Aufwachen einen ganz neuen Reiz.“

16
     
    Marie schob sich das letzte Stück Rosinenbrötchen in den Mund, nahm einen Schluck Milchkaffee und kuschelte sich tiefer in ihre graue Wolldecke. Simba kam um die Ecke geschlichen und sprang auf Maries Schoß. Dort schob sie sich ein Nest zurecht und ließ sich laut schnurrend nieder.
    Der Sommer gönnte sich eine Pause und ließ stattdessen den Herbst schon mal probestürmen. Der jagte dicke Regentropfen gegen ihre Fensterscheiben. Für Marie bot das schlechte Wetter eine willkommene Gelegenheit, sich zu Hause ohne schlechtes Gewissen aufs Sofa zu legen und endlich mal die zwei Monate alte Mail ihrer Schulfreundin Sabine zu beantworten. Die war vor drei Jahren nach Neuseeland ausgewandert und dürstete nach Neuigkeiten aus der Heimat. Als Marie ihr Mailprogramm öffnete, fand sie eine neue Nachricht von OléOle. Sabine würde sich wohl noch etwas gedulden müssen. Marie hatte Ole vor lauter Arbeit und Ärger mit Karlo fast schon vergessen. Neugierig öffnete sie die Nachricht.
     
    Hallo Hexe!
    Entschuldige bitte, dass ich mich die letzten Tage nicht gemeldet habe. Im Büro war viel los. Aber nun ist Wochenende und ich habe Zeit für unseren romantischen Soll-Ist-Vergleich. Du willst also eine Beschreibung meiner Miss Perfect? Dann möchte ich mal nicht so sein: Die Frau meines Herzens ist authentisch und lacht laut, wann immer ihr danach ist. Sie ist mit sich im Reinen. Sie singt spontan mit Straßenmusikern, ist ein Genussmensch und hütet ihr seit Generationen in der Familie überliefertes Pastarezept wie ein Staatsgeheimnis. Sie ist leidenschaftlich und wenn sie wütend wird, geht schon mal was zu Bruch.
    Reicht das für den Anfang? Ich bin gespannt, was dein analytischer Scharfsinn aus dieser Auflistung macht.
    Liebe Grüße
    Ole
     
    Marie freute sich über die Antwort. So viel Offenheit hatte sie nicht erwartet und ihr analytischer Scharfsinn, wie Ole ihn