Verplant verliebt
blickend: „Hast du nicht deinen Schlüssel vergessen?“
Karlo machte auf dem Absatz kehrt und sah Maries Mutter erwartungsvoll an. Marie hielt die Luft an. Die Zimmer im Privatbereich hatten keine Schlüssel.
Doch ihre Mutter blieb gelassen: „Jetz hen mir uns so verquatscht, Herr Winterfeld. Da habet wir das Eigentliche total vergessen.“ Sie drehte sich um, griff unter die Theke und zog irgendeinen Schlüssel hervor.
Marie schien ihrer Mutter am liebsten den Kopf abreißen zu wollen. Karlo spürte, dass es besser war, die beiden für einen Moment alleine zu lassen. Er selbst war über die Tatsache, dass sie zwei aneinandergrenzende Zimmer hatten, eher amüsiert. Magret, die alte Kupplerin.
Karlo schob Bernadette vor sich her zum Tisch. Als sie abrupt stehen blieb und sich umdrehte, hätte Karlo sie fast über den Haufen gerannt, worauf sie wahrscheinlich aus gewesen war. Karlo wartete, bis sich Bernadette gesetzt hatte. Er war schon der einen oder anderen aufdringlichen Frau begegnet, aber Bernadette übertraf sie alle. Als Karlo auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz nahm, stand Bernadette wieder auf und setzte sich neben ihn. Sie griff an die Rückenlehne seines Stuhls und murmelte etwas von ihrer Handtasche. Tatsächlich zog sie ihre Tasche hervor, kramte einen Moment darin herum und förderte einen roten Lippenstift zutage. Erst jetzt fiel Karlo auf, dass sie die Toilette gar nicht mehr aufgesucht hatte. Er ahnte, dass das Wochenende anstrengend werden würde. Bernadette rutschte mit ihrem Stuhl immer näher. Karlo fragte sich, ob er bei JCN einen Männerbeauftragten einführen konnte und rutschte von ihr weg. Bernadette rutschte nach. Karlo hätte ihr am Liebsten ordentlich die Leviten gelesen, was er am Wochenende sicherlich noch tun würde, aber nicht vor allen Kollegen. Als Karlo fast an der Wand angelangt war, betraten Marie und ihre Mutter den Raum. Magret blickte von einem Gast zum nächsten, um zu prüfen, ob noch irgendwer etwas brauchte. Ihr Blick blieb an Bernadette und Karlo hängen.
„Herr Winterfeld. Des schaut mir a weng eng aus. Solle mer no en Tisch dazunehme?“
Karlo schmunzelte: Er hatte die ideale Männerbeauftragte gefunden.
Alle am Tisch richteten ihre Blicke auf Karlo und seine Verfolgerin. Wie immer verstand Bernadette den Wink mit dem Zaunpfahl nicht. Sie zupfte sich ihre blonden Haare zurecht und grinste, offensichtlich erfreut darüber, im Mittelpunkt zu stehen. Karlo sah Bernadette eindringlich an. Sie antwortete mit einem strahlenden Lächeln.
Karlo versuchte es eine Spur deutlicher: „Bernadette, könntest du bitte einen halben Meter nach links rutschen? Dann haben wir beide ein wenig mehr Platz.“
Endlich war die Botschaft angekommen. Bernadette rutschte ihren Stuhl quietschend zur Seite und schob die Unterlippe schmollend hervor.
Dann klopfte die Königin mit einem kleinen Löffel an ihr Weinglas, bis alle Blicke auf sie gerichtet waren.
„Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, ein paar Worte zum Auftakt unseres Teamwochenendes zu sagen. Ich freue mich, diese zwei Tage mit Ihnen verbringen zu können, bevor ich die Teamleitung in die vertrauensvollen Hände von Herrn Winterfeld lege.“
Karlo sah aus dem Augenwinkel, wie sich Magret und Gisela, die hinter der Theke Gläser spülten, fragende Blicke zuwarfen. Marie hatte ihnen wohl noch nicht erzählt, dass er ihr Chef werden würde.
Die Königin fuhr fort: „Ich weiß, dass Sie Herrn Winterfeld den Start leicht machen werden. Sie sind ein wunderbares Team, das gut zusammenpasst und hervorragende Ergebnisse liefert. Ich habe immer gerne mit Ihnen zusammengearbeitet und mir fällt der Abschied nicht leicht.“ Die Königin räusperte sich. „Aber ich möchte hier nicht rührselig werden, sondern erklären, was Sie dieses Wochenende erwartet. Es stimmt, dass Sie bereits ein sehr gutes Team sind, aber wie überall gilt auch hier: Es gibt nichts, was sich nicht verbessern ließe. Deshalb gilt unser Wochenende dieses Mal dem Teambuilding. Gemeinsam mit einem erfahrenen Trainer werden wir schauen, wie sich die Zusammenarbeit noch weiter verbessern lässt. Weil eine einzelne Traube noch keinen Wein macht, fordere ich Sie auf: Lassen Sie uns zusammen wachsen und gemeinsam reifen.“
Marie sah auf die Uhr und stöhnte. Es war inzwischen halb zwei. Die IT-Nerds waren kurz nach Sandra und Albert gegen elf Uhr ins Bett gegangen, die Königin hatte die Runde um eins verlassen.
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