Verplant verliebt
einer Selbstverständlichkeit, als müsste jetzt alles klar sein. Aber Marie hatte nicht die geringste Ahnung. Seine Kleidung erinnerte an einen Greenpeace-Aktivisten, sein überambitioniertes Grinsen an einen Kindergärtner.
Karlo kam mit seinem Frühstücksteller vorbei und schien Maries verwirrten Blick richtig zu deuten. „Niko ist Sozialpädagoge. Die Königin hat ihn engagiert, um unser Wochenende zu begleiten.“
„Ich finde total toll, dass Sie Ihre Chefin alle Königin nennen. Das zeugt von unglaublich viel Respekt und Anerkennung.“
Oder war einfach der Tatsache geschuldet, dass sie König hieß, aber Marie wollte Niko nicht korrigieren.
„Dieses Frühstück ist exzellent. Ich habe in keinem Bioladen jemals leckerere Milch bekommen. Die ist bestimmt frisch aus der Kuh.“ Niko drehte sich zu seinem Platz, hob sein Milchglas in die Luft und inspizierte es fasziniert. „Herrlich. Und das Körnerbrot. Ist das selbstgemacht?“ Er sah Marie mit großen Augen an.
Marie nickte nur. Sie bevorzugte ihre Mitmenschen vor neun Uhr eher still und unauffällig, Niko aber plapperte munter weiter und kommentierte begeistert all seine Frühstücksentdeckungen. Marie schaltete derweil auf Durchzug, holte sich ebenfalls Milch direkt aus der Kuh und nahm einen großen Schluck.
33
Als die Truppe auf dem Weingut in Ellhofen ankam, stand die Königin bereits auf der Türschwelle und breitete zur Begrüßung die Arme aus. Marie sah ihre Chefin nur selten in Alltagskleidung. Im Büro trug sie immer schicke Chanel-Kostüme, Pumps mit zwei Zentimeter hohen Absätzen, dezente Goldohrringe und meist eine Perlenkette. Umso mehr überraschte es Marie, die Königin in Jeans, T-Shirt und tailliert geschnittener Lederweste zu sehen. Sie passte hervorragend in die ländliche Umgebung, sah bodenständig, aber dennoch elegant aus. Marie hoffte, dass sie in dem Alter auch noch so eine Figur haben würde.
Marie ließ ihren Blick über den Gutshof schweifen. Sie kannte das große Haus mit seinen alten Steinmauern von früher. Ihre Familie hatte bei Radtouren oft einen Abstecher hierher gemacht, denn vom Hof aus bot sich ein unverbauter Blick über das gesamte Weingebiet. Auch wenn diese Aussicht noch immer so war wie in Maries Erinnerung, hatte sich doch vieles verändert. Die weißen Sprossenfenster waren frisch gestrichen, auf jedem Fenstersims stand ein Topf mit roten Geranien und das kniehohe Gras war einem sorgfältig arrangierten Blumenbeet gewichen, durch das ein Kiesweg zum Haupteingang führte. Marie atmete die frische Morgenluft ein. Sie fand es herrlich hier. In solchen Momenten wusste sie nicht mehr, warum sie in der Stadt lebte.
Marie zuckte zusammen, als jemand neben ihr laut klatschte. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass es Niko war, der sie aus ihren Gedanken gerissen hatte. Er drehte sich begeistert um die eigene Achse und jauchzte: „Ist das nicht ein ganz zauberhafter Ausblick?“
„Legen Sie Ihre Sachen am besten hier ab. Wir gehen gleich wieder nach draußen und da sollten Sie keinen Ballast dabei haben.“ Die Königin zeigte auf eine Ecke in der Stube.
Wieder klatschte Niko freudig in die Hände, griff nach einem Flechtkorb, der mit einem karierten Küchentuch abgedeckt war, und ging nach draußen. Karlo ahnte, was der Ökoheini in seinem Körbchen hatte: Augenbinden, ein Seil, ein Wollknäuel und Luftballons für diverse Vertrauensspielchen. Das konnte ja heiter werden.
„Nun nehmen Sie sich bitte an den Händen und gehen so lange auseinander, bis Sie einen Kreis gebildet haben.“ Bernadette, die neben Karlo auf der Wiese stand und ihre Absätze immer wieder mühevoll aus dem Rasen zog, schnappte seine Hand, noch bevor er Zeit hatte, sich unauffällig nach Marie umzuschauen. Er erspähte sie gegenüber auf der anderen Seite des Kreises. Dann zog Niko ein Wollknäuel aus dem Korb. Bingo!
„Wir starten zum Warmwerden mit einer Begrüßungsrunde. Da Sie einander ja schon kennen, werden wir das etwas anders gestalten und einander morgendliche Kraft spenden. Bitte werfen Sie das Wollknäuel zu demjenigen Kollegen, den Sie vorstellen möchten. Sagen Sie dabei, was Sie an diesem Menschen besonders schätzen.“
Niko hielt das Ende des Fadens fest und warf das Knäuel zu Albert, der es wiederum – wie sollte es auch anders sein – zu Sandra warf.
„Ich schätze Sandra wegen ihrer sonnigen Natur, weil sie eine der wenigen Frauen ist, die in Java weit über das Programmieren von ,Hello World’
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