Verräterische Gefühle
nicht erinnern, sich jemals in der Gesellschaft einer Frau derart amüsiert und wohlgefühlt zu haben.
Erschrocken senkte er den Blick und erinnerte sich daran, dass es in seinem Leben keinen Platz für tiefe Gefühle und Happy Ends gab. Und das wusste er bereits seit seinem neunten Lebensjahr …
Nach einem schmackhaften Lunch stand Katie mit einem erfrischenden Drink in der Hand völlig entspannt auf Deck und schaute zu dem fremden Boot hinüber, auf dem es immer noch hoch herzugehen schien.
Plötzlich entdeckte sie etwas, das ihr Herz einen Schlag aussetzen ließ. „Nathaniel, sieh nur!“, rief sie erschrocken. „Dieses winzige Kind dort drüben an der Reling trägt gar keine Schwimmweste. Was für ein bodenloser Leichtsinn!“
Als er ihrem Blick folgte, spürte er ein seltsames Ziehen im Magen.
„Hey!“, rief Katie, doch keiner der Erwachsenen auf dem anderen Schiff schien sie über die Partymusik und das laute Gelächter der Gäste hinweg zu hören. Ihr verzweifelter Blick schoss von Nathaniel, der reglos neben ihr stand, zu Ben, der inzwischen auch auf die brisante Situation aufmerksam geworden war. „Können wir nicht näher an das andere Boot ranfahren?“, rief sie ihm zu. „Wir müssen …“
Sie brach ab, als sie ein lautes Klatschen hörte. Die Bewegung im Wasser verriet ihr, wo Nathaniel mit einem Kopfsprung ins Meer eingetaucht war. Gleichzeitig stellte Katie entsetzt fest, dass die winzige Gestalt an Bord des anderen Schiffs verschwunden war.
„Ben!“, schrie sie voller Panik. „Was sollen wir tun?“
„Ruhe bewahren und Nathaniel im Auge behalten“, kam es so gelassen zurück, dass Katie vor Hilflosigkeit und Frust am liebsten laut aufgekreischt hätte. Ben warf den Motor an und manövrierte den Katamaran zu dem anderen Schiff. „Er ist ein exzellenter Schwimmer. Wenn jemand das Kind retten kann, dann er. Ich wage es nicht, näher ranzufahren, wegen der Schiffsschraube. Ist Nathaniel noch zu sehen?“
„Nein! Er taucht exakt an der Stelle, wo das Kind verschwunden ist, aber keiner von beiden kommt zurück an die Oberfläche!“ Sie weinte fast vor Angst und Panik. „Ich schwimme ihm nach! Vielleicht kann ich helfen!“
Ben versuchte gar nicht erst, sie aufzuhalten, als sie mit einem waghalsigen Hechtsprung über Bord ging. Erst unter Wasser dachte Katie daran, dass es schlauer gewesen wäre, die Taucherbrille anzulegen. Die faszinierende und mysteriöse Unterwasserwelt, die sie eben noch so bewundert hatte, erschien ihr plötzlich nur noch als nasses Grab.
Schnell und rhythmisch bewegte sie Arme und Beine, bis ihre Lungen zu platzen drohten. Dann tauchte sie kurz auf, um Luft zu holen und sich zu orientieren. Wieder unter Wasser gewahrte sie nach wenigen Metern eine dunkle Silhouette, in der sie Nathaniel erkannte. Halb verdeckt von ihm, sah Katie ein dünnes weißes Ärmchen und ein Bein. Das Kind schien unter einem flachen Felsen eingeklemmt zu sein. Das Brennen in ihrer Brust wurde so heftig, dass sie wieder an die Oberfläche musste.
Wie schaffte Nathaniel es nur, so lange unter Wasser die Luft anzuhalten?
Die Partygesellschaft an Bord des Segelschiffs, dem sie jetzt ganz nahe war, hatte offensichtlich immer noch nichts vom Verschwinden des Kindes bemerkt. Plötzlich tauchte Nathaniels dunkler Kopf dicht neben ihr auf, gerade lange genug, um die eiserne Entschlossenheit in seinen Augen zu erkennen – und noch etwas anderes, das sie schaudern ließ. Dann war er wieder verschwunden.
Laute Rufe und die ständige Wiederholung eines Mädchennamens verrieten Katie, dass die Abwesenheit des Kindes endlich bemerkt worden war. Sie konnte sogar die Tränen auf den entsetzten Gesichtern der Menschen erkennen, deren Paradies sich ganz plötzlich in den Vorhof der Hölle verwandelt hatte.
Und dann war auch Nathaniel wieder da, mit dem reglosen Mädchen in seinen Armen. „Ben, nimm sie mir ab und leg sie flach aufs Deck“, brachte er heiser hervor. Kaum war das geschehen, zog er sich selbst an der Bordkante hoch und schwang sich anscheinend mühelos aufs Deck, wo er sofort mit den notwendigen Rettungsmaßnamen begann. Atemlos beobachtete Katie abwechselnd das stille, leichenblasse Gesicht der Kleinen und Nathaniels angespannte Miene zwischen Mund-zu-Mund-Beatmung und rhythmischer Herzmassage.
„Komm schon, Kleines …“, flüsterte er rau. „Atme! Tu’s für mich …“ Das Kind begann zu keuchen und zu husten, wobei sich ein Schwall Seewasser aufs Deck ergoss. Dann weinte
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