Verraeterisches Herz
habe.“
In angespanntem Schweigen starrten sie einander mehrere Minuten an.
„Was ist dann passiert?“, wollte Francesco wissen.
„Ich bin aufs College gegangen – wenn auch nicht in Cardiff, wie ursprünglich geplant. Ich habe mich an der Universität eingeschrieben, an der Megan Jura studierte, und habe statt Kunstgeschichte Wirtschaftswissenschaften belegt. Unter diesen Umständen war ein Studienjahr in Florenz das Letzte, was ich wollte.“ Ein spöttisches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie an damals zurückdachte. „Du hättest die Klosterschülerin nicht wiedererkannt, Francesco. Ich war eine Studentin, wie sie im Buche stand. Ich habe bunte Strähnen in mein Haar gefärbt, habe Bier mit dem Rugbyteam getrunken und eine Party nach der anderen gefeiert.“
„Und mich hast du dafür verantwortlich gemacht?“
Alicia nickte heftig. „Natürlich. Nach einer Weile hat Bron mir die Leviten gelesen. Megan hat sich so große Sorgen um mich gemacht, dass ihr eigenes Studium darunter litt. Das hat mich zur Vernunft gebracht. Ich habe mit dem Unsinn aufgehört und angefangen zu arbeiten.“
„In der Zwischenzeit verbat mir mein Stolz, weiterhin bei Signora Cross um Nachrichten von dir zu betteln“, ergänzte Francesco bitter. „Sie ist eine sehr starke Frau.“
„Ja.“ Plötzlich konnte Alicia es nicht mehr ertragen. „Das reicht, Francesco.
Würdest du bitte gehen?“ Sofort stand er auf. „ Va bene . Aber ich führe dich morgen zum Lunch aus.“
„Tut mir leid. Ich bin bereits mit Megan verabredet.“
„Dann komme ich abends zu dir.“ Er sah ihr in die Augen. „Sei hier, Alicia. Ich werde nicht eher nach Montedaluca zurückkehren, als bis wir das Problem gelöst haben.“
Sie nickte müde und brachte ihn zur Tür. Anschließend warf sie sich aufs Bett und zog die Decke über den Kopf. Eine Stunde später gab Alicia auf. Immer wieder musste sie daran denken, dass Francesco und seine Mutter nach ihrer überstürzten Flucht nach Cardiff gekommen waren. Morgen früh, nahm sie sich vor, würde sie Bron anrufen und sich ihre Version der Geschichte anhören. Offensichtlich hatte ihre Mutter nicht gewollt, dass sie zu ihrem Bräutigam zurückkehrte.
Sie machte ihr deswegen keinen Vorwurf. Bron hatte schon früh im Leben gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Als sie zwölf Jahre alt gewesen war, war ihr Vater gestorben, ihre Mutter während ihres ersten Jahres am College. Damals hatte sie in der Villa von Huw und Eira Davies ein kleines Zimmer unter dem Dach gemietet.
Als Anwalt kümmerte Huw sich um die rechtlichen Angelegenheiten, die auf seine plötzlich verwaiste Untermieterin zukamen. Im Gegenzug passte Bron auf seinen Sohn Gareth auf, wenn Eira zu den Vorsorgeuntersuchungen für das zweite Baby ging.
Auch nach Megans Geburt stellte Bron sich als Babysitter zur Verfügung. Und als sie zu ihrem eigenen Entsetzen feststellte, dass sie schwanger war, war es Eira, an die sie sich hilfesuchend wandte. Allerdings weigerte sie sich standhaft, den Namen des Vaters preiszugeben oder sich wegen der Alimente an ihn zu wenden. Dank ihrer kleinen Erbschaft war sie in der Lage gewesen, den gesamten oberen Teil des Hauses zu mieten und ihr Studium fortzusetzen. Und als Alicia im September das Licht der Welt erblickte, bot Eira an, sie tagsüber in ihre Obhut zu nehmen.
Alicia seufzte. In ihrer Erinnerung war sie mit zwei Müttern und zwei Geschwistern aufgewachsen. Eira hatte sie immer wie ein eigenes Kind behandelt. Und da Gareth und Megan ihre geliebte Babysitterin mit Bron ansprachen, hatte sie das auch getan.
Abgesehen von den kupferroten Haaren und den Sommersprossen, war es vor allem Alicias familiäre Situation, die der Contessa Sophia da Luca missfiel. Francesco hingegen, so viel musste sie ihm zugutehalten, hatte sich nie etwas aus ihrem lückenhaften Stammbaum gemacht.
Seine Abneigung bezog sich auf eine Braut, die seinen Erwartungen so wenig entsprach, dass seine wutentbrannte Reaktion ihre Ehe beendete, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
4. KAPITEL
Am nächsten Morgen wachte Alicia so spät auf, dass sie ihre Mutter nicht mehr erreichte. Frustriert hinterließ sie ihr eine Nachricht auf Band. Dann machte sie sich auf den Weg in die Blake Street.
„Rhys und Gareth sind im Garten“, begrüßte Megan sie. „Wie ist die Party gelaufen?“
„Sehr gut.“ Alicia zögerte, entschloss sich dann dafür, Francesco nicht zu erwähnen. „Was ist mit deinen Eltern? Sind sie noch
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