Verraeterisches Herz
Alicia einen unbehaglichen Blick zu. „Glücklich war ich damit nicht, das kannst du mir glauben. Ich mag den Mann nicht, aber an dem Tag sah er so verzweifelt aus, dass ich tatsächlich Mitleid mit ihm empfunden habe. Und selbst die contessa wirkte, als ginge ihr die Sache sehr nahe.“
„Ich kann es nicht fassen, Gareth Davies“, schalt Megan ihn. „Du weißt, wie sehr Lally damals gelitten hat.“
„Natürlich weiß ich das. Aber ich dachte, Francesco sei derjenige, der ihr das Leid zugefügt hat!“ Er wandte sich an Alicia. „Da das Thema nun schon im Raum steht, er hat dich doch nicht … nun, verletzt, oder?“
„Meinst du, mich geschlagen?“
„Verdammt, nein, daran habe ich nie gedacht, ich meinte …“
Rasch hob sie die Hand. „Francesco, das kann ich dir versichern, hat mich nie angerührt.“
„Warum, zum Teufel, bist du dann vor ihm geflohen?“
„Das geht dich nichts an“, protestierte Megan.
„Wenn ich in irgendeiner Hinsicht als Schuldiger abgestempelt werden soll, dann schon!“
„Natürlich trägst du keine Schuld“, mischte Alicia sich ungeduldig in den Geschwisterstreit ein. „Ich wollte nur wissen, ob Francesco die Wahrheit gesagt hat.“
„Ich musste Bron doch versprechen, den Mund zu halten.“ Er warf Alicia einen unsicheren Blick zu. „Ich dachte ehrlich, es wäre nur zu deinem Besten.“
„Weil du ohnehin nicht wolltest, dass Alicia Francesco oder sonst jemanden heiratet“, sagte Megan spitz.
Gareth musterte seine Schwester kurz, dann wandte er sich wieder an Alicia. „Ich habe getan, was Bron wollte, weil ich davon ausgegangen bin, dass auch du das willst. Ende der Geschichte. Danke für den Lunch, Megan. Macht’s gut, ich bin weg.“
In ihrer Wohnung wartete bereits eine Nachricht ihrer Mutter auf dem Anrufbeantworter. Alicia griff zum Hörer und kam gleich zum Punkt.
„Mutter, ich habe gestern beim Spiel jemanden getroffen.“
Bron schwieg einen Moment. „Wenn du mich Mutter nennst, ist es etwas Ernstes.“
„Es war Francesco.“
„Irgendwann musste das ja passieren. Was wollte er von dir?“
„Ich bin mir nicht sicher. Aber er hat mir etwas erzählt, was mich sehr überrascht hat. Anscheinend sind er und seine Mutter vor Jahren in der Blake Street gewesen.“
Mehr Schweigen. „Ja, mein Schatz, das waren sie“, antwortete Bron schließlich. „Und jetzt bist du wütend auf mich, weil ich es dir verschwiegen habe.“
„Stimmt genau. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass es mir sehr viel bedeutet hätte zu wissen, dass ich Francesco und der contessa wichtig genug war, damit sie nach mir suchen?“
„Nein, keine Sekunde. Du hast gesagt, du willst nichts mehr mit ihm zu tun haben.“
„Trotzdem hattest du kein Recht, es für dich zu behalten.“
„Ich wollte dich beschützen. Du hast nie den Grund genannt, weshalb du weggelaufen bist. Also habe ich angenommen, Francesco hätte dich in irgendeiner Weise misshandelt.“
„Nein, Mutter, das hat er nicht.“ Und wenn, dann nur mit Worten.
„Sag mir, Schatz, was hättest du denn getan, wenn ich es dir erzählt hätte?“
Alicia dachte darüber nach. „Vielleicht nichts. Die Tatsache, dass seine Mutter mitgekommen ist, rührt mich.“
„Warum?“
„Weil es bedeutet, dass sie ihr Verhalten mir gegenüber in gewisser Hinsicht bereut.“
„Mehr Geheimnisse habe ich nicht vor dir, das musst du mir glauben. Von Francescos Anrufen habe ich dir jedes Mal berichtet. Aber seit einiger Zeit hat er sich nicht mehr gemeldet.“
„Ich weiß. Offensichtlich hat sein Stolz irgendwann überwogen.“
„Es überrascht mich, dass es nicht schon früher passiert ist. Schatz, es tut mir leid, ich habe mich falsch verhalten. Komm doch am Sonntag zum Lunch.“
Dankbar nahm Alicia die Einladung an und verabschiedete sich kurz darauf von ihrer Mutter. Anschließend trat sie auf den Balkon hinaus und ließ ihren Blick über die Bucht wandern. Am liebsten hätte sie sich ins Bett gelegt, anstatt sich auf das Wiedersehen mit Francesco vorzubereiten. Schlussendlich entschied sie sich für eine lange heiße Dusche. Sie zog Jeans und einen einfachen Pullover – beides in Schwarz – an, dazu Stiefel mit halbhohen Absätzen. Die Haare fasste sie zu einem fast schmerzhaft festen Pferdeschwanz zusammen. An Make-up trug sie nur einen Hauch Lippenstift auf.
Nachdem sie eine Flasche Wein und Gläser auf ein Tablett gestellt hatte, setzte sie sich mit einem Buch ans Fenster und wartete.
Um kurz nach acht
Weitere Kostenlose Bücher