Verraeterisches Herz
sich.
„Dass Sie sehr gut Englisch sprechen, Signor da Luca.“ Mit einem unglaublichen Akzent, der wohlige Schauer über ihren Rücken sandte.
„ Grazie . Aber, bitte, nennen Sie mich Francesco. Und ich spreche Englisch, weil das in meinem Beruf von Vorteil ist.“
Seine Karriere als Rugbyspieler war so kurz gewesen, dass Alicia nie etwas über sein Privatleben zu Ohren gekommen war. „Was arbeiten Sie denn?“ Sie wurde rot. „Entschuldigung. Das müssen Sie nicht beantworten.“
Amüsiert schüttelte Francesco den Kopf. „Welcher Mann mag es nicht, über sich zu sprechen?“
Alicias Miene hellte sich auf. Wenn es nach ihr ging, konnte Francesco so lange und so viel er wollte über sich erzählen.
Er lehnte sich zurück. „Ich habe Jura studiert. Doch so nützlich das Wissen in Rechtsfragen manchmal ist, bin ich nicht in dieser Branche tätig.“ Er zuckte die breiten Schultern. „Für mich bedeutet Leben Wein, Oliven und Marmor. Und Verantwortung zu tragen.“ Er bedachte sie mit einem forschenden Blick. „Und was ist mit Ihnen, Miss Alicia? Sie besuchen noch die Schule?“
„Nein. Seit vergangener Woche nicht mehr“, fügte sie hinzu. „Ich habe gerade die letzten Klausuren geschrieben. Wenn meine Noten gut genug sind, gehe ich im Oktober auf die Universität.“
„Dann sind Sie nicht mehr so jung, wie ich dachte“, erwiderte er überrascht. „Wie alt sind Sie, Alicia?“
„Achtzehn.“ Sie zögerte einen Moment, dann lächelte sie strahlend und ließ ihre Grübchen aufblitzen. „Heute geworden.“
Seine Augen weiteten sich. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, als sie endlich die Farbe richtig erkannte. Eine seltene Nuance zwischen Grau und Blau – ungewöhnlich für ein so markant männliches Gesicht.
„Sie haben heute Geburtstag!“, rief er aus. „Buon compleanno!“
„Danke.“
„Anstelle der Schokolade sollten wir mit Champagner anstoßen. Immerhin sind Sie nun alt genug, um Alkohol trinken zu dürfen, oder?“
„Werden Sie mich auslachen, wenn ich Ihnen sage, dass ich Champagner nicht sonderlich mag?“
„Nein“, entgegnete er sanft. „Ich werde nicht lachen.“
Schweigen senkte sich über sie. Sein Blick hielt den ihren gefangen. Schließlich gab Alicia sich einen Ruck. „Ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Ich weiß, wer Sie sind.“
Er nickte. „Weil ich Ihnen meinen Namen genannt habe.“
„Nein. Ich meine, ich weiß, dass sie mal Rugby gespielt haben.“
„Davvero?“ , fragte er verwundert.
Sie nannte ihm den Namen des Turniers, bei dem sie ihn auf dem Feld gesehen hatte.
„Nur wenige Menschen erinnern sich daran. Kurz danach habe ich mich verletzt und nie wieder gespielt.“ Francesco schüttelte den Kopf. „Damals waren Sie ein junges Mädchen. Ich bin wirklich überrascht.“
„Dass ich mich an Sie erinnere, oder dass ein Mädchen sich für Rugby interessiert?“
„Beides. Hat Ihr Vater auch gespielt?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nie kennengelernt“, sagte sie und wünschte gleich darauf, sich auf die Zunge gebissen zu haben.
Francesco zuckte zusammen. „Mi dispiace!“
Sie versuchte sich an einem möglichst nonchalanten Schulterzucken. „Der Vater meiner besten Freundin spielt aktiv, ebenso wie ihr Bruder. Zusammen mit Meg bin ich immer zu Gareths Spielen gegangen. Vermissen Sie es zu spielen?“
„Ja, aber mittlerweile bleibt mir keine Zeit mehr für Sport. Hin und wieder schaue ich mir eine Begegnung im Fernsehen an. Wird so ein enthusiastischer Rugbyfan wie Sie mich mit Verachtung strafen, wenn ich außerdem gestehe, dass ich Fußball mag?“
Lächelnd schüttelte Alicia den Kopf. Dann fiel ihr Blick auf ihre Armbanduhr. Sie saßen bereits wesentlich länger hier, als sie für möglich gehalten hatte. Mit einem lauten Seufzen setzte sie die Sonnenbrille wieder auf. „Ich muss zurück zu meiner Freundin. Vielen Dank für die heiße Schokolade.“
Rasch erhob auch Francesco sich. „In welchem Hotel wohnen Sie?“
Sie nannte ihm den Namen des kleinen Hotels im Stadtzentrum.
„ Bene . Ich begleite Sie. Ich muss doch sichergehen, dass Sie an diesem besonderen Tag wohlbehalten zu Ihrer Freundin zurückkehren, Miss Alicia Cross.“
Vorhin, als sie die Piazza della Signorina mit dem Stadtplan gesucht hatte, war ihr der Weg recht lang vorgekommen. Doch an Francescos Seite verging die Zeit wie im Fluge. Sie erzählte ihm von ihren Ferienplänen, als würde sie ihn schon ewig kennen – was auf gewisse Weise ja
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