Verrat im Zunfthaus
zukam.
Adelina sah sich nach den Mädchen um und blieb ebenfalls stehen. «Mira, Griet, was ist?» Dann fiel ihr Griets entsetzter Gesichtsausdruck auf. «Griet? Ist alles in Ordnung mit dir?»
«Gelobt sei Jesus Christus», erklang die ölige Stimme des Mönchs.
Adelina wandte sich in seine Richtung. Er verbeugte sich artig und musterte neugierig die beiden Mädchen.
Griet war noch blasser geworden, und im nächsten Moment rannte sie mit einem verängstigten Schrei davon.
«Griet, was ist denn los? Bleib stehen!» Adelina sah dem Mädchen erschrocken nach. Mira wischte sich fahrig die Hände an ihrem Rock ab. «Ich lauf ihr nach, Meisterin.» So schnell sie konnte, rannte sie ebenfalls los.
«Habt Ihr Schwierigkeiten mit Eurer hübschen Stieftochter, Frau Meisterin?»
Adelina blickte Bruder Thomasius irritiert an. «Es scheint so. Ihr habt sie erschreckt.»
«Ich? Aber auf keinen Fall.»
«Weshalb sollte sie sonst vor Euch davongelaufen sein?»
Thomasius blickte streng auf sie herab. «Möglicherweise hat das Kind gesündigt und will sich durch Flucht seiner gerechten Strafe entziehen.»
Adelina schüttelte den Kopf. «So ein Unsinn. Ihr sehtan jeder Ecke Sünde und Verderbnis. Griet ist noch ein Kind. Habt Ihr dem Mädchen vielleicht einmal aufgelauert und sie mit Euren Geschichten vom Fegefeuer geängstigt?»
«Ich lauere niemandem auf!», empörte sich der Mönch und verschränkte seine knochigen Arme in den Ärmeln seiner Kutte. «Doch wenn mir ein armer Sünder begegnet, ist es meine Pflicht zu versuchen, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen.»
«So wie Eure Schwester Ludmilla, die Ihr zwingen wolltet, eine Tat zu gestehen, die sie nicht begangen hatte?»
«Ludmilla ist keine gewöhnliche Sünderin», knurrte Thomasius aufgebracht. «Sie hat ihre Seele schon auf Erden dem ewigen Höllenfeuer überantwortet.»
«Ihr seid ja verrückt.» Ungehalten wandte sich Adelina ab und ging weiter in Richtung Alter Markt.
Der Dominikaner folgte ihr jedoch und hielt sich beharrlich an ihrer Seite. «Ihr werdet auch noch erfahren, wie grausam Gottes Strafe für diejenigen ist, die nicht umkehren und bereuen wollen.»
Abrupt blieb Adelina stehen. «Was heckt Ihr diesmal wieder aus, Bruder Thomasius? Ich habe Euch schon einmal gewarnt. Haltet Euch von mir und meiner Familie fern. Eure haltlosen Verdächtigungen widern mich an.»
«So haltlos nun auch nicht, meine Tochter.» Thomasius lächelte süffisant und rieb sich einen winzigen Schweißtropfen von seiner langen Adlernase. «Wie ich hörte, will Euer Gemahl einmal wieder gegen das Gebot der Heiligen Mutter Kirche verstoßen.»
«Wie bitte?» Adelina starrte ihn verständnislos an.
Er legte ihr eine Hand auf den Arm, zog sie jedoch sofort wieder zurück, als er das warnende Funkeln inihren Augen sah. «Ist es nicht so, dass er wieder einmal die Ruhe der Toten missachten und den Leib einer Verstorbenen öffnen will?»
«Davon weiß ich nichts.» Adelina wandte sich von ihm ab und marschierte weiter über den Laurenzplatz.
«Natürlich wisst Ihr davon!», rief Thomasius ihr nach und blieb ihr auf den Fersen. Dabei rempelte er einen Zimmermann an, der einen großen Eimer mit Werkzeug schleppte. Klirrend und scheppernd fiel der Eimer zu Boden, der Zimmermann stieß einen Fluch aus und bedachte den Mönch mit mehreren unflätigen Schimpfwörtern, während er Hammer, Fäustel und Nägel vom Boden aufklaubte.
Die ersten Neugierigen blieben stehen und gafften. Zwei Hausfrauen, die ihren Einkaufskörben nach wohl ebenfalls auf dem Weg zum Alter Markt waren, steckten tuschelnd die Köpfe zusammen und zeigten dabei auf Adelina und Thomasius.
Verärgert blieb sie erneut stehen und funkelte ihn an. «Was soll das heißen?»
Thomasius, der nicht daran dachte, seine Stimme zu mäßigen, donnerte: «Ihr selbst habt die Unglückliche doch gefunden! Und da wollt Ihr mir erzählen, Ihr wüsstet nicht, was Euer Gemahl mit ihr vorhat? Ich sage Euch, er hat Euch bereits mit seinem ketzerischen Verhalten angesteckt. Aber Ihr werdet schon sehen, wohin Euch das führt. Einmal ist er dem Scheiterhaufen entkommen. Ein zweites Mal wird ihm das nicht gelingen.»
«Starke Worte, alter Mann», erklang hinter ihnen eine ironische Stimme.
Adelina und Thomasius fuhren herum und sahen sich Meister Jupp gegenüber, der in einigen Schritten Entfernungvor dem Eingang einer Taverne stand, die er offenbar soeben verlassen hatte. Er musterte den Mönch nicht gerade freundlich. «Und
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