Verrat im Zunfthaus
vielleicht der eines kleinen Kindes, aber der Junge hat doch auch Gefühle, oder nicht? Und er wird bald erwachsen.»
Nachdenklich strich Adelina über Colins Wange und blickte dann zu Magda auf, die neben ihr stand und auf eine Antwort wartete. «Vielleicht hast du recht, Magda. Mir ist nur nie in den Sinn gekommen, dass Vitus dazu fähig sein könnte, sich zu verlieben.»
«Ach, so arg ist es vielleicht auch gar nicht», milderte Magda ihre Worte von vorher ab. «Vielleicht will er sie auch einfach nur ein bisschen anhimmeln und beschützen. So ähnlich wie bei seiner Katze. Die ist doch auch sein Ein und Alles.»
«Sicher.» Adelina nickte nachdenklich. «Aber eine Katze zu lieben ist etwas anderes als einen Menschen zu lieben.»
***
Beim Schneider verbrachte Adelina mit den beiden Mädchen beinahe den gesamten Nachmittag. Denn sie hatte nicht nur beschlossen, neue Kleider für die Mädchen anfertigen zu lassen, es sollten auch neue Schürzen, Beinlinge, Nachthemden und für Mira zwei neue Schapels sein. Das Mädchen war groß für sein Alter und wirkte schon recht erwachsen, sodass es Adelina angemessenschien, dass Mira künftig einen Jungfernkranz tragen sollte.
Mira tat zwar, als sei dies nichts Besonderes, aber die Aufregung, mit der sie die Stoffe für die Schleier aussuchte und mit Griet tuschelte, ließ erkennen, dass sie sehr stolz war, schon für so erwachsen angesehen zu werden. Auf dem Rückweg zum Alter Markt schnatterten die beiden Mädchen wie zwei Entenküken. Adelina ließ sie gewähren.
«Weißt du, es gibt Mädchen, die schon mit zwölf oder dreizehn Jahren verheiratet werden», erzählte Mira Griet gerade wichtigtuerisch. «Eine meiner Schwestern, Edelgard, war bei ihrer Hochzeit auch erst vierzehn. Das ist so üblich beim Adel, damit die Erbfolge frühzeitig gesichert ist. Wenn ich einmal heirate, dann am liebsten einen tapferen Ritter hoch zu Ross. Der muss mich retten, und ich brauche dann niemals wieder Böden zu fegen oder Waagen zu polieren.»
Adelina räusperte sich amüsiert. «Mira, ich denke nicht, dass in allzu naher Zukunft ein Ritter um deine Hand anhalten wird. Und glaub mir, das solltest du dir auch lieber nicht wünschen.»
«Warum nicht, Meisterin?» Verwundert blickte Mira sie an.
Adelina bemühte sich um ein ernstes Gesicht. «Weil so früh geschlossene Ehen selten die glücklichste Wahl sind, mein Kind. Abgesehen davon wird dir dein Mundwerk, falls du an einen strengen Eheherrn geraten solltest, vermutlich einigen Verdruss bringen. Der Mann, der dich zur Frau nimmt, tut mir heute schon leid.»
«Was hab ich denn gesagt? Ich mag nun mal nicht gerne fegen und polieren und putzen und …»
«Schscht!» Griet stieß ihr den Ellenbogen in die Seite. «Du ärgerst Frau Adelina.»
«Ich ärgere gar niemanden!», protestierte Mira empört. «Aber ich darf doch wohl noch sagen, was ich denke.»
«Genau das meine ich.» Streng blickte Adelina Mira in die Augen, die jedoch nur trotzig zurückstarrte. «Mit dieser Einstellung wird es dir schwerfallen, überhaupt einen Mann für dich zu begeistern. Und nun zügele deine Zunge.»
«Aber Ihr sagt auch immer, was Ihr denkt, auch wenn es unhöflich ist.»
«Mira!» Griet schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
Adelina verzog keine Miene. «Du vergreifst dich im Ton, Kind. Noch ein Wort, und ich werde dafür sorgen, dass du aus dem Bodenfegen nicht mehr herauskommst.»
«Och …» Mira zog einen Flunsch.
«Das hast du nun davon», flüsterte Griet.
«Mir doch egal», flüsterte Mira zurück. «Warte nur, bis ein Ritter zu mir in rasender Liebe entbrennt …»
«O Himmel, Mira!» Adelina schüttelte halb verärgert, halb belustigt den Kopf. Sie wollte gerade zu einer weiteren Rüge ansetzen, als sie in einiger Entfernung Bruder Thomasius, den Dominikanermönch, aus einer Seitengasse auf den Laurenzplatz treten sah, den sie und die Mädchen gerade überquerten. Seine wie immer makellos weiße Kutte leuchtete grell in der Sommersonne.
Ihre Miene verfinsterte sich augenblicklich. «Der hat uns gerade noch gefehlt», murmelte sie.
«Wer?», fragte Griet und folgte Adelinas Blicken. Plötzlichblieb sie wie angewurzelt stehen und wurde aschfahl. «N … nein!»
«Was ist denn mit dir los?» Mira war ebenfalls stehen geblieben und blickte Griet neugierig an. «Komm, wir müssen weiter!» Sie zog sie am Ärmel ihres Kleides, doch Griet riss sich los und starrte in die Richtung, aus der der Mönch langsam auf sie
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