Verrat im Zunfthaus
doch herein und fragt ihn selbst.»
6
Adelina führte Meister Jupp in die Küche, wo er sich von Magda mit einem Krug Bier und Honiggebäck verwöhnen ließ. Neklas war noch nicht zurück, doch der Chirurg wollte unbedingt auf ihn warten. Adelina entschuldigte sich und ging auf die Suche nach Griet und Mira.
Das Lehrmädchen saß im Garten und fädelte Kräuter auf Schnüre auf, die zum Trocknen unter den Dachvorsprung des Pferdestalls aufgehängt werden sollten.
Auf Adelinas Frage nach Griet hob sie nur die Schultern. «In ihrer Kammer wird sie sein. Erst wollte sie gar nicht nach Hause. Als ich sie festhalten wollte, hat sie mich getreten.» Sie hielt kurz inne. «Ich hab ihr eine gescheuert.»
«Mira!» Vorwurfsvoll sah Adelina auf ihr Lehrmädchen herab.
Mira zuckte jedoch nur mit den Achseln. «Was hätte ich denn machen sollen? So hab ich sie wenigstens nach Hause gebracht.»
«Was war denn los? Warum ist sie davongelaufen?»
«Weiß ich nicht. Die spinnt doch manchmal. Wie damals, als sie in diesem zerrissenen Fetzen zu Euch in die Apotheke gehen wollte.»
«Es reicht, Mira. Ich will kein Wort mehr darüber hören, hast du verstanden?» Adelina fixierte das Mädchen streng und wandte sich dann ab.
«Ich sag ja gar nichts.» Offensichtlich froh, einigermaßen ungeschoren davongekommen zu sein, griff Mira übertrieben eifrig nach den Kräutern.
***
Adelina fand Griet tatsächlich in deren Kammer ganz unter dem Dach. Das Mädchen saß auf dem Bett und spielte still mit dem Püppchen, das Adelina ihr vor einiger Zeit geschenkt hatte.
Adelina setzte sich neben sie und schwieg eine Weile. Dann legte sie ihr leicht die Hand auf den Rücken. «Griet, warum bist du davongelaufen?»
«Tut mir leid.» Griets Stimme zitterte leicht.
«Hat Bruder Thomasius dich erschreckt?»
«N … äh, ja.» Griet blickte ängstlich zu Adelina auf.
«Warum hat er dich erschreckt? Bist du ihm irgendwann schon einmal begegnet? Hat er dich auf der Straße angesprochen?»
«Nein, Frau Adelina.» Ein überraschter Ausdruck huschte über Griets Gesicht. «Ich bin ihm noch nie allein auf der Straße begegnet.»
«Und warum macht er dir dann solche Angst?»
Griet ließ den Kopf wieder hängen. «Ich … weiß nicht.» Sie hob den Kopf wieder. «Er ist gemein, oder? Er will Vater schaden.» Ihre Worte klangen merkwürdig hölzern und so, als seien sie ihr eben erst in den Sinn gekommen.
Adelina strich ihr sanft über den Rücken. «Du musst dir keine Sorgen machen. Und ängstigen brauchst du dich auch nicht. Aber es ist sehr ungezogen, einfach wegzulaufen, Griet.»
«Ich weiß.»
«Wenn dich das nächste Mal etwas ängstigt, sag es mir lieber, ja?»
Griet nickte unglücklich. «Frau Adelina?»
«Hm?»
«Gibt es eigentlich Geister? Und kann man die sehen?»
«Geister?» Verwundert betrachtete Adelina ihre Stieftochter. «Wie kommst du denn darauf?»
«Ich dachte nur. Wenn es welche gibt, habe ich vielleicht einen gesehen.»
«So ein Unfug, Griet.» Adelina schüttelte den Kopf. «Es gibt keine Geister.» Sie stand auf, nahm Griet das Püppchen aus der Hand und legte es auf das kleine Schreibpult unter dem Fenster. «Nun komm an die Arbeit. Du kannst mir dabei helfen, die fertigen Salbentiegel in Wachstuch einzunähen.»
Griet rutschte von der Bettkante und folgte ihr die Treppe hinab. «Dann kann ich also bestimmt keine Geister gesehen haben?»
Adelina drehte sich zu ihr um. «Ganz bestimmt nicht.»
Griet nickte und ließ dann den Kopf hängen. Am Fuß der Stiege blieb Adelina stehen und fasste das Mädchen an den Schultern. «Griet, sieh mich an.»
Griet hob langsam den Kopf.
«Stimmt etwas nicht? Was ängstigt dich so?»
«Nichts, Frau Adelina.» Griet senkte den Blick wieder. «Ihr habt ja gesagt, es gibt keine Geister. Ich gehe schon mal ins Hinterzimmer und schneide das Wachstuch zu, ja?» Damit wandte sich das Mädchen rasch ab und eilte davon.
Adelina sah ihr besorgt nach, wurde jedoch aus ihren Gedanken gerissen, als Franziska nach ihr rief und einen Besucher meldete.
Rasch ging sie hinunter und traf in der Apotheke auf Georg Reese, dessen Gruß äußerst knapp und atemlos ausfiel. Er hielt sich krampfhaft die linke Hand, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
«Herr Reese, um Himmels willen! Was ist Euch geschehen?» Adelina eilte zu ihm. «Ihr blutet ja!»
«Verzeiht, Frau Adelina, ich bin unglücklich gestürzt, weil eine Gruppe Berittener mich auf dem Marktplatz abgedrängt hat. Ausgerechnet
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