Verrat im Zunfthaus
jedoch keinerlei Anstalten machte, aufzustehen, ließ er den Kopf wieder auf seine Pfoten sinken.
Die Dämmerung legte sich langsam über die Stadt, der Hinterhof und Adelinas Garten wurden in immer längere Schatten getaucht. Just blinkten die ersten Sterne am Himmel auf.
Adelina betrachtete sie und überlegte dabei angestrengt, wie sie Griets Probleme lösen könnten. Sie mussten verhindern, dass Thomasius dem Mädchen weiterhin so nahe kam, sonst würde sich ihre Furcht niemals legen.
Aber auch der ermordete Avarus Vetscholder tauchte immer wieder in ihren Gedanken auf. Was auch immer ihm geschehen war, es musste ein grauenvoller Anblick gewesen sein, so viel hatte sie der Gerüchteküche bereits entnehmen können.
Doch wenn Vetscholder nun ebenfalls ermordet worden war, bedeutete dies, dass er nichts mit Belas Tod zu tun hatte? Hatte Belas Mörder nun auch ihren Verlobten auf dem Gewissen? Adelina schauderte, als sie darandachte, dass möglicherweise gerade in diesem Augenblick ein brutaler Mörder in den Gassen Kölns umherlief und nach einem weiteren Opfer suchte.
Aber auch die Möglichkeit, dass doch Vetscholder seine Verlobte ermordet hatte, und nun aus Vergeltung für diesen Mord selbst sterben musste, schied nicht vollkommen aus.
Adelina nickte vor sich hin. So herum klang die Sache wesentlich einleuchtender. Denn dass Vetscholder vom Vogt gesucht wurde, war inzwischen wohl überall bekannt.
Doch wer – Adelina schauderte erneut – wer hatte so grausam Rache geübt? Belas Vater, der Patrizier? Das wäre möglich. Der leibliche Vater von Belas Kind? Weniger wahrscheinlich. Wenn er überhaupt von dem Kind wusste, würde er mit Sicherheit nichts damit zu tun haben wollen, schon allein deshalb, weil Bela ihn wegen Vergewaltigung hätte anzeigen können.
Wolfram Elfge, Belas Stiefvater? Nein, das war noch unwahrscheinlicher. Obwohl … Adelina runzelte die Stirn. Man wusste nicht, was nach Belas Tod in ihm vorgegangen war, als er erfuhr, dass man seinen zukünftigen Schwiegersohn des Mordes verdächtigte. Schließlich hatte Elfge die Ehe zwischen Bela und Avarus aus geschäftlichen Gründen begrüßt. Er hatte seinen Weinhandel mit Vetscholders verbinden wollen. Vielleicht hatten Schuldgefühle ihn getrieben, den Mord an Bela, die zwar nicht seine leibliche Tochter war, die er aber als die seine anerkannt hatte, zu rächen?
Gerne hätte Adelina Reese gefragt, ob man den Schöffen Elfge dazu befragen würde.
Wer kam sonst in Frage? Vagabundierende Söldneroder Straßenräuber? Würden sie eines ihrer Opfer so auffällig vor einem der großen Stadttore zur Schau stellen? Und falls ja, aus welchem Grund?
«Aus welchem Grund …?», murmelte Adelina vor sich hin.
Fine und Moses blickten sie erwartungsvoll an.
Sie nahm die Katze auf den Arm und begann, immer dicht gefolgt von Moses, im Hof auf und ab zu gehen.
War Avarus an den Aufständen der Zünfte im vergangenen Jahr beteiligt gewesen? Sie wusste es nicht.
Hatten die vertriebenen Patrizier ihre Söldner auf ihn losgelassen, um der Stadt zu zeigen, wie gefährlich es war, sich mit ihnen anzulegen? Vielleicht wollten sie demonstrieren, dass sie zu allem bereit waren, um ihren alten Status wiederzuerlangen?
Doch wie passte Belas Mord zu alldem? Hingen die beiden Todesfälle etwa gar nicht zusammen? Gab es zwei ganz verschiedene Mörder? Oder hatte Vetscholder Bela aus Eifersucht und verletzter Ehre getötet und war dann selbst den Häschern der Patrizier in die Hände gefallen? Hatte Walter von der Weiden etwas damit zu tun? Schließlich war er Patrizier. Hatte man da zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen?
In Adelinas Kopf begannen sich die Gedanken im Kreis zu drehen. Sie blieb stehen und warf einen Blick zum Himmel, der inzwischen nachtschwarz geworden war. Unzählige Sterne glitzerten am Firmament.
Sie seufzte leise. Eine Antwort fand sie auf diese Weise nicht.
Fine leckte ihr mit ihrer rauen Zunge über den Handrücken und sprang zu Boden. Dort umkreiste sie Moses zweimal und stupste ihn an, als wolle sie ihm noch einenschönen Abend wünschen, dann machte sie sich auf ihren nächtlichen Rundgang.
Der Hund sah ihr kurz nach und legte sich dann vor den Hintereingang, wo er offenbar warten wollte, bis es Adelina gefiel, wieder ins Haus zu gehen.
Der Abend war jedoch so angenehm und die Luft um diese Zeit endlich nicht mehr so sengend heiß, dass sie keinerlei Lust verspürte hineinzugehen.
Sie setzte sich wieder unter das Stalldach und
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