Verrat im Zunfthaus
deswegen hat Thomasius ihn schon einmal beinahe auf den Scheiterhaufen gebracht.»
Die beiden Frauen sahen sich einen Augenblick lang vielsagend an, dann öffnete Benedikta die Hintertür und trat hinaus in den Garten, wo Magda einen großen Zuber für die Wäsche aufgestellt hatte.
Adelina holte tief Luft, straffte die Schultern und ging zurück in die Küche.
***
Obwohl die Sommerabende lang waren und es gerade erst zu dämmern begann, hatten sich der Knecht und die Mägde bereits zu Bett begeben. Auch Feidgin und Benedikta waren bereits hinauf in ihre Kammer gegangen, und Adelina hatte erst ihrem Bruder und dann den beiden Mädchen gute Nacht gesagt. An Griets Bett hatte sie gesessen, bis das Mädchen eingeschlafen war, denn es klagte noch immer über Übelkeit.
Erst als Griets Atemzüge tief und gleichmäßig gingen, stand Adelina von der Bettkante auf, zupfte die Decke gerade und verließ leise den Raum. Am unteren Absatz der Stiege saß Moses und sah ihr erwartungsvoll entgegen. Sie strich ihm flüchtig über den Kopf und ging dann zur Hintertür hinaus in ihren Garten.
Zwischen den Gemüsebeeten hatte sie Trittsteine verlegt, auf denen sich mittags die Eidechsen sonnten. Nun hatte sich eine große Kröte auf einem der Steine niedergelassen.
Adelina setzte sich unter das Vordach des Stalls und atmete tief die würzige, noch von der Sonne aufgeheizte Abendluft ein.
Moses quetschte sich durch einen Spalt in der Hintertür und machte einen schnellen Rundgang an den Kohlköpfen und den Pastinaken vorbei. Als er jedoch die Kröte erblickte, blieb er wie angewurzelt stehen und beäugte sie misstrauisch. Sie starrte zurück und wich nicht von ihrem Platz, auch dann nicht, als der Hund sie vorsichtig mit einer Pfote anstupste.
Moses knurrte empört, kümmerte sich jedoch nicht weiter um den Eindringling und ließ sich stattdessen zu Adelinas Füßen nieder. Mit einem Schnaufen legte er den Kopf auf die Vorderpfoten und schloss die Augen.
Erst jetzt bewegte sich die Kröte; langsam kroch sie zur Seite und machte dabei ein unglaublich beleidigtes Gesicht. Adelina verfolgte sie mit den Augen, bis sie zwischen den Kohlköpfen verschwunden war.
Aus dem Hühnerstall drang ein leises Scharren und Gackern, im Pferdestall dagegen war es still. Neklas und Meister Jupp waren mit den Pferden noch nicht zurück,und die beiden Kutschtiere stießen nur ab und zu ein leises Schnauben aus.
Adelina genoss die Ruhe und entspannte sich, auch wenn sie immer mit einem Ohr Richtung Küche lauschte, wo Colin in seinem Bettchen schlummerte.
Langsam brach die Nacht an, und die Nachtwächter begannen mit ihren Rundgängen.
Über Adelina raschelte es im Knöterich, der das Stalldach bewucherte, und Augenblicke später schob sich ein Schatten zwischen den dichten weißen Blüten hervor. Fine schüttelte sich und sprang dann auf Adelinas Schoß, wo sie sich gemütlich zusammenrollte.
Adelina streichelte ihr sanft über die weißen Flecken im schwarzen Fell; zum Dank begann die Katze tief und sonor zu schnurren.
Wo Neklas nur blieb? Adelina schloss für einen Moment die Augen und lauschte angestrengt, konnte jedoch kein Hufgetrappel hören. Warum wohl die Sektion so lange dauerte? Was hatte die Schöffen dazu bewogen, ein so gewagtes Unterfangen zu genehmigen?
Zwar hatte sie am Nachmittag noch das eine oder andere Gerücht über den Toten aufgeschnappt – der Mord war bereits zum Stadtgespräch geworden –, doch Genaues wusste niemand, und inzwischen trieben die Mutmaßungen recht absurde Blüten.
Außerdem musste sie dringend mit Neklas über Griet und Thomasius sprechen. Der Vorfall von heute trieb ihr selbst jetzt noch die Zornesröte ins Gesicht.
Wieder schloss sie die Augen und lehnte den Kopf an die Stallwand. Griet war sicher nicht versehentlich ins Wasser gefallen, auch wenn sie das behauptete. Adelina war überzeugt, dass sie absichtlich gesprungen war. Siehatte Mira noch einmal zu dem Vorfall befragt, dann Ludowig und zum Schluss noch einmal mit Griet selbst gesprochen.
Abermals schien dieser vermaledeite Mönch hinter allem zu stecken. Er war am Mühlbach gewesen, und ganz sicher war er der Grund für Griets neuerwachte Angst. Eine Angst, die das Mädchen so weit trieb, dass es ins Wasser sprang.
Adelina knirschte mit den Zähnen. Als sie sich dessen bewusst wurde, richtete sie sich wieder auf und bemühte sich um Ruhe. Mehrmals atmete sie tief ein und aus, was Moses veranlasste, prüfend zu ihr aufzusehen. Da sie
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