Verrat im Zunfthaus
falls ich etwas erfahre.»
«Und du hast etwas erfahren?» Benedikta blieb vor Adelina stehen und sah sie neugierig an.
«Es ist eher eine Vermutung, aber wenn sie zutrifft …»
«Was dann?»
Adelina ließ die Schultern hängen. «Dann habe ich mich erneut sehr in einem Menschen getäuscht.»
***
«Als ich zum ersten Mal hierherkam, wart Ihr dort unten im Keller eingesperrt», meinte Franziska, als sie neben Adelina vor Georg Reeses Haus stand und auf Einlass wartete. «Damals hätten wir nicht gedacht, dass er ein anständiger Mensch ist, was?»
«Nein, wohl kaum», antwortete Adelina versonnen und betätigte den schweren Klopfer an der Haustür. Während sie wartete, wischte sie sich unauffällig den Schweiß aus dem Ausschnitt ihres Kleides, das wie eine zweite, feuchte Haut an ihr klebte.
Eine untersetzte Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen und lachenden hellbraunen Augen öffnete ihnen. Adelina vermutete, dass dies Georg Reeses neue Gemahlin Rosa sein musste. Adelina stellte sich vor und fragte nach dem Gewaltrichter, und die Frau nickte freundlich.
«Aber ja, kommt herein, Meisterin Burka. Mein Gemahlsitzt in der Stube und kühlt sich mit einem Bier ab. Möchtet Ihr auch etwas trinken? Unglaublich, wie heiß es heute ist, nicht wahr? Kaum auszuhalten.» Sie führte Adelina und Franziska in die Wohnstube, in der nur ein mattes Dämmerlicht herrschte, da die Fenster gegen die Sonne mit Tüchern verhängt waren. Adelina blinzelte ein paar Mal, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann blickte sie sich erstaunt um.
«Hier hat sich einiges verändert, nicht wahr? Das wolltet Ihr doch sagen?», kam Reeses Stimme von einem großen Eichentisch her, der von mehreren mit teuren Stoffpolstern bezogenen Stühlen umringt war. Er winkte sie zu sich. «Seit ich Rosa geheiratet habe, ist sie ständig dabei, das Haus umzugestalten. Die Farben der Möbel, die Stoffe der Wandteppiche, das Bettzeug, alles war ihr zu finster und trist.»
«Nun …» Adelina lächelte und betrachtete bewundernd die geblümten Überwürfe über den Sitzbänken am Fenster und die hellen, buntbemalten Truhen an der Wand. «Sie besitzt offenbar einen ausgezeichneten Geschmack.»
«Der mir abgeht?» Reese hob spöttisch die Brauen.
Adelina schüttelte, noch immer lächelnd, den Kopf. «Euer Heim entsprach Eurer doch zuweilen recht düsteren Stimmung. Wie es scheint, hat Eure Gemahlin das Licht zurückgebracht – in Euer Leben und in Eure Wohnung gleichermaßen.»
«O ja, das hat sie wohl.» Aus Reeses Stimme war der Spott verschwunden, doch er verstummte, als die Hausherrin hereinkam und Adelina einen Zinnbecher brachte. Sie goss Bier aus dem Krug auf dem Tisch ein und stellte Franziska noch einen geschnitzten Becher mitWasser hin. Dann zog sie sich still wieder zurück. «Sie ist ein Engel», sagte Reese. «Aber nun zu Euch. Was führt Euch zu mir? Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr mich überhaupt antrefft.»
«Ihr wart schon sehr früh von der Beerdigung fort.»
«Ich hasse Beerdigungen. Und mein Amt geht vor. Ich musste einigen Hinweisen nachgehen, die jedoch ins Nichts geführt haben. Sehr ärgerlich.» Er hüstelte. «Verzeiht, dass ich Euch nichts von der Beerdigung erzählt habe. Ich habe selbst erst kurz vorher erfahren, dass sie so rasch stattfinden soll. Aber bei diesem Wetter … Nicht auszudenken, wenn wir den geschändeten Leichnam noch ein oder zwei Tage länger hätten verwahren müssen.»
«Es war so schon recht unangenehm», gab Adelina zu und nippte an ihrem Bier.
«Worum geht es also?»
«Ich bin wegen Jungfer Marie hier.»
«Marie? Was ist mit ihr?» Alarmiert hob Reese die Brauen.
Adelina suchte nach Worten. «Herr Reese, sie war vorhin bei mir und … Sie hat sich … Ich fürchte, sie hat etwas mit dem Edelsteinschmuggel zu tun.»
«Niemals!», fuhr Reese empört auf.
«Oder aber sie weiß etwas darüber und will es nicht sagen.»
«Sie hat nichts damit zu tun!» Reese wurde zornig.
Adelina sah ihn jedoch weiterhin ruhig an. «Ob nun das eine oder das andere zutrifft: Sie ist in Gefahr.»
«Sie ist keine Verräterin! Sie ist doch fast noch ein Kind!»
Adelina stellte den Becher auf die Tischplatte undverschränkte die Hände ineinander. «Ich sage ja nicht, dass sie selbst Steine geschmuggelt haben muss. Aber sie wusste etwas und hat es verschwiegen. Das würde sie zur Mittäterin machen. Wenn die Feme dies genauso sieht, wird sie Marie auch richten wollen.»
«Sie hat mir versichert, nichts
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