Verrat im Zunfthaus
Geburt befreundet gewesen sind, Herrin, könnte es dann nicht sein, dass sie auch heute in Verbindung stehen und vielleicht sogar gemeinsame Sache machen?» Franziska senkte die Stimme, als zwei Küfergesellen mit einem halbfertigen Weinfass zwischen sich aus dem Hoftor traten, das die beiden Frauen gerade passierten. «Ich hab ja gehört, was Ihr mit Herrn Reese gesprochen habt. Vielleicht will die Jungfer Marie deshalb nichts sagen.»
Adelina dachte über die Worte ihrer Magd nach und nickte dann mit einem mulmigen Gefühl. «Das wäre möglich. Obwohl ich nicht glaube, dass Wolfram Elfge es dann geschafft hätte, in das Schöffenamt gewählt zu werden.»
«Aber wenn niemand davon weiß», warf Franziska ein. «Wenn er alle Welt glauben macht, er sei gegen die Patrizier, aber in Wirklichkeit hat er sie die ganze Zeit unterstützt?»
Adelina blieb erneut stehen und blickte Franziska fassungslos an. «Dann hätten wir den Mittelsmann hier in der Stadt!»
Franziska nickte heftig. «Und vielleicht hilft seine Tochter ihm und will Euch aushorchen, um herauszufinden, ob Ihr ihrem Vater auf der Spur seid.»
«Franziska, du könntest tatsächlich recht haben!» Erschüttert über diese Einsicht machte Adelina kehrt und ging langsam, dann immer entschlossener, den Weg zurück, den sie gekommen waren.
«Wohin wollt Ihr denn jetzt, Herrin?», rief Franziska und eilte hinter ihr her.
Adelina bog in eine schmale Seitengasse ein, in der die überragenden Obergeschosse der Häuser keinerlei Sonne durchließen. Es roch streng nach Schwein, gekochtem Kohl und Seifenlauge. In den Hauseingängen hockten schmutzige Kinder und spielten mit kleinen Holzstöckchen und Steinen. Eine alte, verhärmte Frau hatte eine Schüssel mit Erbsen auf dem Schoß, die sie ohne hinzusehen aus den Schoten pulte. Sie starrte Adelina neugierig an, wurde jedoch von jemandem im Inneren ihres Hauses abgelenkt. Mit schriller Stimme keifte sie eine Antwort über die Schulter. Adelina machte einen Bogen um das Schwein, das mit seinen vier Ferkeln für den Gestank verantwortlich war und sich mitten auf der Straße zu einem Nickerchen niedergelegt hatte. Die vier Kleinen hingen quiekend an den schlaffen Zitzen.
Nachdem sie die Gasse passiert hatten, gelangten sie auf die Schildergasse, die von der Kirche St. Aposteln bis zum Heumarkt eine direkte Verbindung bildete. Hier fuhren unzählige Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke zum Hahnentor oder hinunter zum Rhein. Kaufleute, Bauern, Dienstboten und Handwerker kreuzten Adelinas und Franziskas Weg.
Adelina ging schnurstracks in Richtung Heumarkt. Franziska bemühte sich schnaufend, mit Adelina Schritt zu halten, deren grimmig-entschlossene Miene keinerlei Einspruch zuließ.
Erst als sie beim Augustinerkloster wieder in das Gewirr kleinerer Gassen abbog, die ins Kirchspiel Groß St. Martin führten, schnaufte Franziska: «Wollt Ihr wieder nach Hause, Herrin? So geht doch langsamer! Bei dieser Hitze fallt Ihr sonst noch um. Ihr seid schon ganz rot im Gesicht.»
Adelina verlangsamte ihren Schritt ein wenig. Der Schweiß lief ihr in Strömen übers Gesicht. «Wir haben keine Zeit, Franziska. Wir müssen heute noch Jungfer Marie aufsuchen. Wenn du mit deinen Vermutungen recht hast …»
Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen, sodass die Magd beinahe gegen sie geprallt wäre. «Was ist, Herrin? Geht es Euch nicht gut? Ihr seid ja so blass geworden!» Franziska legte ihr eine Hand auf den Arm und musterte sie mit höchster Besorgnis. «Ich hab ja gesagt, dass das Rennen bei dieser Hitze nicht gut ist. Soll ich …»
«Da ist dieser verfl … Thomasius!», rief Adelina mit so schneidender Stimme, dass Franziska zurückzuckte.
Der Mönch schrak ebenfalls zusammen und blieb stehen. Er war gerade aus dem Seidmacherinnengässchen getreten, wohl um über den kleinen Eisenmarkt weiterzugehen, und starrte ihnen nun verwundert entgegen. Adelina war mit wenigen ausholenden Schritten bei ihm und baute sich mit wütendem Gesicht vor ihm auf. «Ihr!»
«Verzeiht, meine Tochter, was gibt es? Ihr seht gar zu aufgebracht aus», sprach er mit seinem üblichen salbungsvollen Ton.
Adelina fixierte ihn. Seine Kutte erstrahlte wie immer in einem blendenden Weiß, das sogar den Schmutz in den Straßen Kölns abzuschrecken schien. Lediglich am Saum erkannte man einen leichten grauen Staubrand. Und unter den Achseln hatten sich feuchte Ränder gebildet.
«Habe ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt Euch von meiner Familie
Weitere Kostenlose Bücher