Verrat im Zunfthaus
von den Steinen gewusst zu haben», beharrte Reese mit eherner Miene.
«Dennoch scheint es mir, als würde sie etwas verschweigen. Ihr müsst sie zum Sprechen bringen! Wenn Bela sich ihr nicht anvertraut haben sollte, so hat Marie vielleicht dennoch das ein oder andere mitbekommen. Vielleicht weiß sie auch gar nicht, dass sie etwas weiß. Oder hat sie Angst, ihr Wissen preiszugeben, weil sie begriffen hat, in welch prekärer Situation sie sich befindet.»
«Ihr glaubt also, dass sie etwas weiß, das uns helfen könnte, die Pläne der Patrizier zu durchkreuzen?» Reese sank kurz in sich zusammen, doch ebenso schnell richtete er sich wieder auf und straffte die Schultern.
Adelina blickte ihn forschend an. «Was gedenkt Ihr zu tun?»
Reese erwiderte ihren Blick mit grimmiger Miene. «Ich? Nichts. Ihr werdet mit Ihr reden.»
«Ich?»
«Wenn ich etwas tue, muss ich den Vogt darüber informieren. Er würde Marie festsetzen und foltern lassen.»
«O Gott!»
«Tut nicht so, als wäre Euch das nicht bewusst, Frau Adelina», brummte Reese. «Der Vogt steht noch mehr unter Druck als ich. Die Schöffen machen ihm die Hölle heiß, weil er nicht vorankommt. Ich habe bereits einige Männer zu seiner Unterstützung losgeschickt. Sie sollen sich bei Bonn und Siegburg umhören, ob Neuigkeitenüber die Umsturzpläne durchsickern.» Er stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab und erhob sich. «Geht zu Marie und sprecht noch einmal mit ihr. Wir müssen verhindern, dass Hermann von Goch, Walter von der Weiden und Hilger Quattermart sich gegen Köln verbünden und ihre Streitkräfte zusammenziehen. Und wir müssen wissen, wer hier in der Stadt ihre Mittelsmänner sind. Wenn Marie wirklich etwas weiß, muss sie es uns sagen, und zwar schnell.»
***
Ganz wohl war Adelina nicht bei dem Gedanken, Marie aufzusuchen, um sie noch einmal zu befragen. Ohne es zu wollen, schien sie schon wieder mitten in einen Kriminalfall geraten zu sein, und sie erinnerte sich nur zu gut an die Schwierigkeiten, die ihr ähnliche Begebenheiten schon mehrfach beschert hatten.
Außerdem sorgte sie sich um Feidgin. Von Georg Reese hatte sie beim Abschied erfahren, dass es sich bei Feidgins Zufallsbekanntschaft, Heinrich Reese, zwar um einen Cousin des Gewaltrichters handelte, dieser aber nicht zu den angenehmsten Zeitgenossen zählte. Seit dem frühen Tod seiner Gemahlin lebte er mit seinen beiden Söhnen und einer alten Haushälterin zusammen und vertrieb sich die Zeit mit unzähligen oberflächlichen Liebschaften. Wiewohl er ein angesehenes Mitglied der Zunft Windeck war und gutes Geld mit dem Verkauf von Roheisen an Waffenschmiede verdiente, schien er einer jener Männer zu sein, die auf Ehe und einen Hausstand keinen Wert legten. Auch hatte er sich schon zweimal geweigert, sich zur Wahl in den Rat zu stellen, weil ihmdies, wie Georg Reese missbilligend erklärt hatte, mit zu viel Arbeit und Aufwand verbunden gewesen sei.
«Ein Bruder Leichtfuß also», hatte Adelina festgestellt und beschlossen, auf dem Heimweg einen Bogen über den Neumarkt zu machen und zu schauen, ob sie Feidgin dort noch antreffen würde.
Adelina und Franziska gingen schweigend nebeneinander her und bemühten sich, so weit wie möglich im Schatten der Häuser zu bleiben.
«Herrin?», begann Franziska schließlich nach einer langen Weile. «Ich hab gerade überlegt: Die Jungfer Marie ist doch die Tochter eines Ratsherrn, oder?»
«Eines Schöffen», berichtigte Adelina und sah ihre Magd aufmerksam an.
«Und sie ist Herrn Reeses Base, und ihre Schwester Bela ist – war – die leibliche Tochter dieses Patriziers.»
Adelina blieb stehen. «Du weißt aber eine Menge.»
Franziska zuckte mit den Schultern. «Ist ja nicht weiter schwierig. In Euerm Haus wird doch dauernd darüber gesprochen.»
«Ach?»
«Und ich hab mich gefragt …» Die Magd war ebenfalls stehen geblieben und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. «Ich hab mich gefragt, wie es kommt, dass ein Mitglied des Gaffelrates die Bastardtochter eines Patriziers als sein eigenes Kind anerkennt und aufzieht.»
Adelina setzte sich wieder in Bewegung. «Das mag persönliche Gründe gehabt haben. Schau, er hat Bela ja vermutlich bei ihrer Geburt anerkannt, und das ist schon mindestens zwanzig Jahre her. Damals war das Verhältnis zwischen Zünften und Patriziern noch nicht so zerworfen.Vermutlich waren Wolfram Elfge und Walter von der Weiden einmal befreundet.»
«Aber wenn die beiden bei Belas
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