Verrat im Zunfthaus
etwas erzählen, deshalb war sie hier.»
«Sie hätte sich vielleicht bei Euch ausgeweint, aber etwas Brauchbares hättet Ihr nicht erfahren.»
«Woher wollt Ihr das wissen?», fragte Adelina.
Meister Jupp legte den Kopf auf die Seite. «Sie hat Angst. Immerhin ist ihre Schwester von einem Unbekannten auf grausamste Weise getötet worden. Sie hat sich vermutlich die Wahrheit so zurechtgelegt, dass sie sich in trügerischer Sicherheit wähnt. Doch Ihr müsst zugeben, sie ist die Nächste, die in Gefahr schweben könnte.»
Adelina trat hinter den Tresen, nahm ein Tuch und wischte den Weinfleck fort. «Mir scheint es fast, als würdet Ihr sie gut kennen.»
Meister Jupp schüttelte jedoch den Kopf. «Ich kenne sie nicht. Aber ich kenne die Menschen. Und ich bin sicher, dass Ihr früher oder später auf den gleichen Gedanken gekommen wäret. Mit einem Femegericht ist nicht zu spaßen. Vielleicht hat der Gedanke daran Jungfer Marie ein wenig aufgerüttelt.»
«Glaubt Ihr?»
«Ich glaube, sie kommt wieder.»
«Wenn sie Eure Worte verdaut hat? Ihr geht hart mit den Menschen ins Gericht», stellte Adelina fest.
«Ich sage nur, was ich denke. Und ich denke, sie könnte in Gefahr sein.»
«Und wenn sie doch in den Verrat verwickelt ist?»
Er zog unerwartet den Kopf zwischen die Schultern. «Ich bete darum, dass sie es nicht ist», sagte er tonlos und verließ ohne ein weiteres Wort die Apotheke.
14
Adelina wies Mira und Griet an, die Regale in der Apotheke abzustauben und auf einer Wachstafel eine Liste der Arzneien zu erstellen, die zur Neige gingen. Sie selbst hatte beschlossen, noch einmal den Gewaltrichter aufzusuchen, und wollte Franziska als Begleitung mitnehmen.
«Willst du bei dieser Hitze wirklich hinausgehen?», fragte Benedikta sie besorgt, als Adelina in der Küche nach ihrem Sohn sah und Magda Anweisungen für das Abendessen gab. «Ich habe Feidgin schon nicht abhalten können.»
«Feidgin? Wo ist sie denn schon wieder hingegangen?», wunderte Adelina sich.
Benedikta verdrehte die Augen. «Sie ist mit Donatus hinüber zum Neumarkt gegangen, wohl in der Hoffnung, dort noch einmal diesen freundlichen Kaufmann zu treffen, den sie auf dem Schützenfest kennengelernt hat.»
«Sie will ihn dort treffen?»
«Rein zufällig natürlich.» Benedikta verzog missbilligend die Mundwinkel, Adelina hatte jedoch das Gefühl, dass sie sich ein Schmunzeln nur schwerlich verkneifen konnte. «Sie führt sich auf wie ein junges Mädchen. Und dabei hatte ich gehofft, der Umgebungswechsel würde sich mildernd auf ihr Gemüt auswirken. Nun hat sie diesen Kaufmann getroffen und ist sogleich in ihre übliche Schwärmerei verfallen.»
«Schwärmerei?»
«Sie ist besessen von dem Gedanken, wieder zu heiraten, das sagte ich dir ja schon. Und dieser Kaufmann – und ich hoffe wirklich, dass er Kaufmann ist! – scheint ebenfalls Witwer zu sein, oder jedenfalls alleinstehend. Sag, sein Name ist doch Reese, ob er mit diesem Gewaltrichter verwandt ist?»
«Das werde ich in Erfahrung bringen», versprach Adelina. «Aber ist es für eine Frau in ihrem Alter nicht ein wenig seltsam, einem Mann derart nachzulaufen?»
«Seltsam nennst du das?» Benedikta schüttelte sich. «Ich sage, es ist sogar außerordentlich ungehörig. Aber sie ist älter als ich und lässt sich in diesen Dingen nichts sagen. Vielleicht hätte ich sie doch nicht mit hierhernehmen dürfen. Seit gestern schon ist sie sehr aufgewühlt, denn offenbar hat dieser Mann versprochen, ihr eine Botschaft zukommen zu lassen.»
«Und das hat er nicht getan.»
«Natürlich nicht.» Seufzend nahm Benedikta den krähenden Colin aus dem Bettchen und trug ihn in der Küche auf und ab. «Ich bin nur froh, dass Donatus bei ihr ist. So geht sie wenigstens in sicherer Begleitung. Und du willst wirklich noch einmal fort?»
«Ich muss», bestätigte Adelina. «Franziska wird mitkommen. Wenn wir Reese nicht im Rathaus antreffen, werde ich ihn in seinem Haus aufsuchen.»
«Geht es um diese Vorfälle im Gaffelhaus und die zwei Toten?» Die Sorge war deutlich aus Benediktas Stimme herauszuhören.
Adelina nickte. «Es scheint, als seien sie in ein Komplott der aus Köln vertriebenen Patrizierfamilien verwickelt gewesen. Reese, der Vogt und die Schöffen bemühensich, die Hintermänner zu finden, damit sie die Umsturzpläne der Patrizier vereiteln können.»
«Aber was hast du damit zu tun?»
«Reese hat mich gebeten, Augen und Ohren offen zu halten und ihm Bescheid zu geben,
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